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- Dossier: KI in Marktanalyse und Kundenmanagement
KI in Marktanalyse und Kundenmanagement
Künstliche Intelligenz in Marktanalyse, Kundenmanagement und darüber hinaus
von Dr. Aljoscha Burchardt und Dr. Sven Schmeier,
Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI)
Liebe Leserinnen und Leser,
als Wissenschaftler möchten wir am Anfang eine These wagen: Die Antworten auf die Frage, was Künstliche Intelligenz (KI) in Marktanalyse und Kundenmanagement bereits leistet und zukünftig leisten kann, fallen so verschieden aus wie bei keiner anderen, ähnlich gelagerten Frage. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Je nach Vorerfahrung stellt sich jede(r) von Ihnen unter KI in diesem Einsatzbereich etwas Anderes vor. Das liegt letztlich daran, dass es für den Begriff KI keine allgemein akzeptierte und umfassende Definition gibt. KI ist ein Sammelbegriff für ein Teilgebiet der Informatik, diverse Technologien und eine stetig wachsende Zahl von Anwendungen. Daher ist es im Übrigen auch müßig zu fragen, wo "normale" Digitalisierung aufhört, und KI beginnt.
In dieser Ausgabe:
- Arche Neo: Über den Einsatz von Archetypen in der Marktforschung
- Bias in / bias out – Warum wir mehr Datenethik brauchen
- Black Box KI: Worauf Sie beim Einsatz achten sollten
- "Eine große Herausforderung kann die Beschaffung qualitativ hochwertiger Daten sein"
- KI in der Marktforschung – Die richtige Balance aus Automation und Intuition
- KI-gestützte Persona-Analyse aus User Generated Content
- Künstliche Intelligenz beim Ad-Test: Revolution im Anmarsch
- Künstliche Intelligenz muss für die Menschen erlebbar werden
- Marktforschung als Data Pipeline: Datenflüsse kontinuierlich Analysieren
- Mehr Praxis, weniger Hype: KI zündet die nächste Stufe
- Mit Data Thinking von der Idee zum Datenprodukt: KI zielgerichtet einsetzen
- Psychographische Segmentierung: Das "Warum" hinter Kaufentscheidungen entdecken
- Was KI-basierte Research-Assistenz heute leisten kann und was (noch) nicht
- "Wer in diesem Wettbewerb bestehen möchte, muss intern AI-Skills aufbauen"
- Wie KI-basierte Methoden die Marktforschung verändern
KI = Daten oder ist da mehr?
Dass KI hier ein sehr weites Feld absteckt, zeigt sich schon in der Unterschiedlichkeit der in diesem Dossier behandelten Themen, und das ist auch gut so. KI ist nämlich weit mehr als nur maschinelles Lernen, auch wenn die jüngsten Erfolge, Durchbrüche und Zaubertricks überwiegend aus diesem Bereich kommen. Seit 2012 haben hierbei insbesondere neuronale Netze für viel Aufsehen gesorgt, zunächst im Bereich Bilderkennung und später bei der Verarbeitung natürlicher Sprache. Heute kann man beispielsweise Texte mit dieser Technologie in einer Qualität übersetzen, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar war. Unlängst haben Sprachmodelle wie GPT3 gezeigt, dass man rein datengetrieben eine ganze Reihe weiterer Aufgaben im Bereich der Sprachverarbeitung angehen kann. Es kommen aber auch andere Technologien zum Einsatz. Interessanter Weise basiert das Programm alphaGO, das den neusten KI-Hype mit ausgelöst hat, im Wesentlichen auf klassischer Suche, die allerdings von einem neuronalen Netz unterstützt wird. Die wahrscheinlich prominentesten explizit modellierten Systeme, die also nicht mit Daten trainiert wurden, sind die heutigen Smarten Assistenten und Chat Bots. Bei diesen wird zumindest die Dialog-Logik (Was für Informationen müssen für das Buchen eines Restaurants abgefragt werden?) meist von Experten modelliert. Häufig enthalten Systeme sowohl auf Daten trainierte als auch modellierte Komponenten.
Aus Daten und Informationen zu Wissen
Ganz allgemein sind datengetriebene System in der Lage, Korrelationen in den Daten zu erkennen. Beispielsweise korrelieren vielleicht die Verkaufszahlen von Badehosen und die Tagestemperatur. Die Systeme sind aber nicht in der Lage, den kausalen Zusammenhang dazwischen herzustellen. Auf der abstraktesten Ebene besteht die Welt aus Ereignissen, Dingen und deren Eigenschaften. Hierzu gehören besonders die Verhältnisse und Verbindungen zwischen Personen, Lebewesen, Situationen, Aktionen usw. Dieses "Wissensnetz" macht unsere Realität aus. In der KI kann solches Wissen in einer formalen Repräsentation gespeichert werden, etwa in einer Datenbank. Die entsprechenden Repräsentationen - sehr oft als Wissensgraph (eng.: knowlede graph) bezeichnet - sind es letztendlich, die aus rein reaktiven Systemen, die Katzen und andere Objekte in Bildern sehr gut erkennen können, künstlich intelligente Systeme machen. Dabei geht es dann um die explizite Darstellbarkeit komplexer Zusammenhänge und Abläufe, die Abfragen und automatisches Schlussfolgern zulassen. Solche Systeme können sich zudem selbst erklären und erlauben verifizierbare Vorgänge. Ziel sollte es immer sein, Mensch und Maschine geschickt so interagieren zu lassen, dass mehr und mehr Wissen im System entsteht.
Mensch vs. Maschine
Der Unterschied zwischen den oben beschriebenen Wissensgraphen und dem Wissen eines Menschen macht eines deutlich: Wenn wir über KI sprechen, nutzen wir praktisch immer Metaphern. Wenn zum Beispiel ein automatisierter Anlageberater, ein sogenannter Robo-Advisor, "entscheidet", in ein Aktienpaket zu investieren, dann hat das völlig andere Implikationen, als wenn ein menschlicher Anlageberater dies entscheidet. Der Mensch weiß um die möglichen Konsequenzen seiner Handlungen und um seine Haftbarkeit bei Fehlentscheidungen. Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigen sich derzeit viele Forscher unter dem Stichwort "ELSI", also Ethical, Legal, and Societal Implications of AI.
Digitalisierung als Projekt und als gesellschaftlicher Auftrag
Im digitalen Raum sind das Experimentelle und das Unfertige der Normalzustand. Die Einführung von KI-Systemen hat meist wenig zu tun mit herkömmlichem Einkauf. Viel eher muss man mit Entwicklungsarbeit rechnen, gegebenenfalls ist sogar noch Forschung nötig, um eine passende Lösung zu erarbeiten. Eine Voraussetzung ist, dass man das richtige, interdisziplinäre Team zusammenstellt. Hierzu gehören neben der Fachabteilung, die die Prozesse und Kunden kennt sowie der IT- und Rechtsabteilung für Fragen der Datennutzung, die KI-Experten. Am Anfang sollte die Aufgabenstellung, die das System bearbeiten soll, möglichst genau spezifiziert werden und ein Qualitätsmaß für die Lösung entwickelt werden. Davon ausgehend kann man dann vorhandene Daten- und Wissensquellen sichten. Schließlich sollte man dem experimentellen Charakter des Projektes Rechnung tragen und eine Laborsituation erschaffen, in dem das System idealer Weise schon so früh wie möglich unter realen Bedingungen (Daten und Nutzer) getestet und iterativ verbessert werden kann.
Erlauben Sie uns am Ende noch einen Blick über den Tellerrand. Oft haben KI-Systeme das Potential, gesellschaftliche "Skaleneffekte" auszulösen. Während es in der analogen Welt übergriffig wäre, die Empfehlungen eines einzelnen Buchhändlers zu analysieren und gegebenenfalls zu sanktionieren, so hat es eine andere Dimension, wenn weite Teile der Bevölkerung bei demselben Online-Händler einkaufen. Die Auswirkungen können von kartellrechtlichen Fragen bis hin zu Aspekten von Bildungspolitik vielfältigen Klärungsbedarf hervorrufen. Daher sollten wir Digitalisierung im Allgemeinen und KI-Entwicklung im Speziellen als generationsübergreifendes gesellschaftliches Projekt begreifen. Viele Fragen unseres zukünftigen Zusammenlebens können und müssen in einem breiten Diskurs geklärt werden. Sie gehen uns alle an.
Berlin im Februar 2021
Aljoscha Burchardt und Sven Schmeier
Über die Autoren

Dr. Aljoscha Burchardt ist Research Fellow und stellvertretender Standortsprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH) in Berlin. Er ist Experte für Sprachtechnologie und Künstliche Intelligenz. Aljoscha war als Sachverständiger Mitglied der Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz" des Deutschen Bundestages.

Dr. Sven Schmeier ist Chief Engineer und der stellvertretende Leiter des Forschungsbereichs Speech & Language Technologies des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH) in Berlin. Sven hat mehr als 30 nationale und internationale Projekte in Forschung und Industrie erfolgreich geleitet, von der Grundlagenforschung über die technische Entwicklung bis hin zu Produkten und deren Vermarktung.
2023

UX Research Days

Nachhaltigkeit - Besser erstmal die Welt retten
2022

Die Insights-Manager von morgen

Return on Investment

DIY & DIT

Neue Ansätze in der Konsumentenforschung

Die Vermessung der Marke

Die Zukunft qualitativer Marktforschung
2021

Sekundärmarktforschung

Customer Experience Management

Health- und Pharma-Marktforschung

Storytelling & Data Viz

E-Commerce-Boom
2020

Pricing und Preisforschung

Research Techs & Start-ups

Alles ist Marktforschung

Werbeerfolgsmessung

Mystery Shopping
2019

From Insights to Impact

Gehaltsstudie 2019

Customer Experience Research

Data Science und Künstliche Intelligenz

Text und Voice

Plattformen und Datensysteme 2019

Sportmarktforschung
2018

Repräsentativität und Zufallsstichprobe

Gehaltsstudie 2018

Trendsetter USA

Imagestudie Marktforschungsdienstleister

Zukunft der betrieblichen Marktforschung
2017

Meinungsforschung ohne Meinungsfreiheit?

Virtual Reality Marktforschung

Mobile Research 2017

Gehaltsstudie 2017

Datenschutz 2017

Agiles Projektmanagement
2016

Hightech

E-Commerce

Gehaltsstudie 2016

Emotionen, Sinne und Verhalten

Multikulturelle Forschung

Datenschutz in der Marktforschung

Quick without dirty
2015

Apparative Messung

Reporting und Visualisierung

Big Data / Predictive Analytics

Teststudios

Tourismusforschung

Sales und Marketing

Karriere in der Marktforschung 2015

Digitalisierung der Kundenbeziehung

Behavioral Economics

Sekundärforschung/Desk Research
2014

CATI-Krise

Sozialforschung: Die Gesellschaft im Fokus

Repräsentativität und Relevanz

DIY-Forschung

Finanz- und Versicherungsmarktforschung

Jung und Wild

Karriere-Spezial 2014

Themenspecial Software

Anonymität: Heiliger Gral oder goldenes Kalb

Medienforschung im Wandel

Social Media - ein Hype in der Krise
2013

Marktforschungsmanagement

Kundenzufriedenheit 2.0

Alltagsforschung

Wahlforschung

Zufriedenheit mit Instituten

Innovations- und Zukunftsforschung

Preisforschung

Karriere-Spezial 2013

Marke und Markenführung

Gesundheit! Branchenspecial Pharma

Marktforschung 2020

Mobile Research
2012

Vom Marktforscher zum Berater

Branchenspecial Automotive

Werbung und Wirkung

Image

Qualitative Forschung

Web-Analyse

Karriere in der Marktforschung

Online-Panels
