von Holger Geißler, marktforschung.de
Spätestens seit 2014 ist es in der breiten Bevölkerung en vogue geworden, über den Return on Investment zu sprechen. Der Grund dafür ist die Fernsehsendung "Die Höhle der Löwen", in der Start-ups vor einer Jury bestehend aus Investoren und Unternehmern wie z. B. Carsten Maschmeyer, Frank Thelen, Dagmar Wöhrl oder Ralf Dümmel um mögliche Investments der Juroren pitchen. Im Vordergrund stehen immer die Fragen: "Wird es sich lohnen, in dieses Start-up zu investieren?" ?
Anders formuliert: Werde ich einen positiven Return on Investment, kurz ROI genannt, erzielen?
Der ROI drückt das Verhältnis aus dem erwarteten Mehrwert und den Kosten einer Investition aus. Was bekomme ich für mein Geld?
Angenommen, ich investiere 1.000 € in Aktien und verkaufe die Aktien drei Jahre später wieder für 3.000 €, dann habe ich einen ROI von 3 erzielt. Das Ziel war die Vermehrung meiner Investition. Das Investment der Betrag, den ich verwendet habe, um die Aktien zu kaufen.
Als Formel ausgedrückt: ROI=Summe des Erfolgs/Investitionskosten
Investitionskosten sind in der Regel klar
Überträgt man diese Formel auf die Frage unseres Dossierthemas, so macht eine Variable in der Gleichung kein Problem: Die Investitionskosten.
Die Investitionskosten können in der Regel relativ einfach ermittelt werden. Auf ein einzelnes Projekt bezogen wären das die internen und externen Kosten. Die internen Kosten umfassen im einfachsten Fall die Stunden, die interne Mitarbeitende an dem Projekt arbeiten. Die externen Kosten können der Betrag sein, den ein externes Institut in Rechnung stellt, wenn es den Auftrag übernimmt. Alternativ könnten das z. B. Feldkosten oder Lizenzkosten für eine Research-Plattform sein.
Aber was ist mit der Summe des Erfolgs?
Schwieriger wird es mit dem Zähler der Gleichung: Der Summe des Erfolgs, d. h. das Ziel, das ich erreichen möchte. Im obigen Beispiel war das Ziel die Geldvermehrung, erfasst durch den Verkaufspreis nach drei Jahren. Für die Höhle der Löwen geht es zumeist darum, dass der Unternehmenswert des Start-ups steigt und sich bei einem Exit das Investment vervielfacht.
Was aber wäre das Äquivalent für ein CX-, UX- oder Marktforschungsprojekt?
Der Anteil an der Entscheidungsfindung
„Unser RoI bemisst sich bekanntlich aus dem Wert, den Forschung für erfolgreiche Business-Entscheidungen liefert.“,
schrieb GIM-Geschäftsführer Stephan Teuber 2019 in einer Kolumne auf marktforschung.de. Wie aber berechnet man genau den Wert, den die Forschung für eine Entscheidung liefert?
Welche Entscheidungen in Unternehmen werden 1:1 aus Marktforschungsstudien abgeleitet? Der Häuptling der Insights hat gesprochen, Howgh! Solche Situationen dürften die wenigsten unter uns kennen. In der Regel bilden Studienergebnisse lediglich eine Entscheidungsgrundlage, von der ausgehend – und unter Einbezug weiterer relevanter Informationen und Faktoren – eine Entscheidung gefällt wird. Den Beitrag der Studienergebnisse an dem Entscheidungsprozess zu quantifizieren dürfte schwerfallen.
Wurden Ziele erreicht oder nicht?
Gangbarer scheint der Weg über die Zielerreichung den ROI von Forschungsprojekten zu bestimmen.
„Meiner Meinung nach ist die wichtigste Kennzahl, ob unsere Arbeit die gesetzten Ziele erreicht oder nicht. Das ist leicht zu messen, wenn sie klar definiert sind.“
, sagte Denyse Drummond-Dunn, vormals Global Head of Consumer Excellence bei Nestlé, im Interview mit Planung-Analyse.
Ja, wenn die Ziele klar definiert sind. Sind sie das in der Regel?
Es gibt selten eine 1:1 Beziehung zwischen Studienergebnis und Erfolg der Investition
Den Nutzen einer Marktforschungs-, CX- oder UX-Studie zu quantifizieren, ist gar nicht so leicht, da in der Regel keine 1:1 Beziehung zwischen Studienergebnissen und der Summe des Erfolgs gewährleistet werden kann.
- Soll mittels einer Befragung herausgearbeitet werden, wie die CX bei bestimmten Touchpoints verbessert werden kann, so hängt der Erfolg der Maßnahmen, die aufgrund der Studie initiiert wurden, letztlich auch von der Umsetzung der Ergebnisse im Customer-Service-Team ab.
- Die Performance einer Werbeanzeige, die aufgrund eines Werbe-Pre-Tests ausgewählt wurde, hängt auch an der Mediaplanung.
- Der Erfolg eines durch Marktforschung ausgewählten Food-Produkts hat auch viel mit der Platzierung im Supermarkt oder dem Erfolg der Einführungskampagne zu tun, auf die Marktforschung in der Regel keinen Einfluss hat.
Die Liste wäre beliebig verlängerbar.
Auch der Zusammenhang zwischen Steigerungen im Net-Promotor Score und dem Umsatzwachstum sind nicht eineindeutig, wie in der Kolumne der Professoren Fretschner und Lüdke nachgelesen werden kann.
„The Winner takes it all”
Dazu kommt, dass es bei vielen Marktforschungsstudien darum geht, den einen Favoriten, den besten Weg, die vielversprechendste Kampagne zu identifizieren. Dieser eine Weg wird dann weiterverfolgt. Offen bleibt bei diesem Vorgehen, ob nicht doch eine andere Kampagne besser gewesen wäre, da die Verlierer normalerweise in der Versenkung verschwinden.
Die Beschäftigung mit dem ROI dürfte sich lohnen
2018 hat sich die Boston Consulting Group gemeinsam mit internationalen Marktforschungsexperten wie Simon Chadwick intensiv mit der Frage beschäftigt, ob und wie der ROI von Customer Insights und Consumer Analytics (im folgenden CI & CA) gemessen werden kann.
Zur Frage „ob“ wurde eine Studie durchgeführt. Das Fazit: Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen machten sich keine Gedanken über den ROI ihrer CI & CA.
Was schade ist, da sie außerdem herausfanden, dass in Unternehmen, die sich mit dem ROI beschäftigten, Insights-Teams zumeist einen deutlich höheren Stellenwert genossen, die Zufriedenheit mit dem Nutzenbeitrag des Insights-Teams für das Unternehmen deutlich höher war und in diesen Unternehmen Insights-Manager zumeist über einen direkten Zugang zur Management-Ebene verfügten.
Es spricht also vieles dafür, dass sich Marktforschungs-, CX und UX-Teams und Institute mit dem ROI ihrer Arbeit beschäftigen sollten. Es gibt wenig zu verlieren, aber einiges zu gewinnen, auch wenn der Weg nicht ganz einfach erscheint.
("Die Höhle der Löwen", Bildnachweis: picture alliance / Caroline Seidel/dpa | Caroline Seidel)