Umfrage planen: So planen Sie die perfekte Umfrage!

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Leitfaden „Umfrage erstellen“ Schritte 1-2

Im Studium oder Berufsleben kann es aus verschiedensten Gründen erforderlich werden, eine Umfrage zu erstellen. Erste Einschätzungen von Neulingen zum Aufwand fallen sehr unterschiedlich aus: Die einen meinen, eine Online-Umfrage mit den richtigen Tools „mit links“ erledigen zu können, andere sehen einen großen Berg an Arbeit bis zum fertigen Fragebogen auf sich zukommen. Unser Tipp: nur gründliche und überlegte Vorarbeit garantiert eine zielführende Befragung. 

Schritt 1: So legen Sie die Forschungsfrage und Untersuchungsziele fest

Bei der Planung einer Umfrage steht zunächst die zu klärende Fragestellung im Fokus. Im Unternehmen wie auch bei wissenschaftlichen Arbeiten während des Studiums gibt es ein aktuelles Thema, zu dem Informationsbedarf besteht. An der Stelle ist es wichtig, vorab die Grundfragen einer Befragung zu klären, um die Forschungsfrage zu konkretisieren:

1. Was soll genau erfasst werden?
2. Warum soll erfasst werden? Was sind die Ziele der Befragung?
3. Mit welcher Methode soll erfasst werden?

Ein Marketing Club könnte beispielsweise seine Mitglieder, ehemaligen Mitglieder und Interessenten befragen, wie er seine Leistungen optimieren kann. Ziel ist es, eine positive Entwicklung beim Mitgliederzuwachs, der Zufriedenheit und der Qualität zu erreichen. Hieraus ergeben sich folgende Konkretisierungen:

Beispiel:
a. Fragestellung

Welche Einstellung hat die Zielgruppe der Befragten generell zum Marketing Club? Was für Angebote sind entscheidend für die Teilnehmenden, um Mitglied zu werden? Welche Hinderungsgründe oder Bedenken gibt es, eine Mitgliedschaft anzustreben? Wo liegen die Ursachen für eine Kündigung?

b. Ursache und Zielsetzung der Befragung

Die Betreiber eines Marketing Clubs erleben schon länger eine Stagnation bei den Mitgliederzahlen und möchten analysieren, warum sich Mitglieder mit dem Club verbunden fühlen oder aber gekündigt haben. Ein grundlegendes Forschungsinteresse besteht auch darin, herauszufinden, wie das Angebot des Clubs verbessert werden kann.

Mögliche Ziele:

  • Klärung von Verbundenheit der Zielgruppe zum Verein
  • Erfahren der Einstellung zum Angebot des Clubs
  • Transparenz von Stärken und Schwächen aus Mitgliedersicht
  • Eruieren bekannter Wettbewerber mit ihren Besonderheiten
  • Vorschläge zur Qualitätsverbesserung zu gewinnen
  • Diskrepanz zwischen Innen- und Außensicht des Clubs ergründen
  • Frage nach der Mediennutzung, speziell Social Media und Website
  • Zufriedenheit beim Serviceangebot der Mitgliederbetreuung abfragen
  • Handlungsempfehlungen an den Vorstand des MC aussprechen zu können
  • Intensivierung der Mitglieder- und Interessentenkontakte
  • Verbesserte Mitgliederbindung

Hinweis:

Die genaue Definition der Erwartungen an eine Befragung ist ein entscheidender Punkt bei der Planung einer Umfrage. Nur so ist eine spätere Erfolgskontrolle möglich.

Experten-Interview: Wie plane ich eine Online-Umfrage?

Ulrich Föhl ist neben Christine Friedrich Autor des Buchs "Quick Guide Onlinefragebogen – Wie Sie Ihre Zielgruppe professionell im Web befragen“, das 2022 bei Springer Gabler veröffentlicht wurde. Christa Wehner ist Kommunikationswissenschaftlerin und gemeinsam mit Ulrich Föhl an der Hochschule Pforzheim tätig. 
Marktforschung.de konnte die beiden Umfrage-Experten für ein Interview zur optimalen Planung einer Online-Umfrage gewinnen.

Prof. Dr. Ulrich Föhl, Dipl.-Psych., ist seit 2013 Professor für psychologische Marktforschung an der Hochschule Pforzheim. Davor war er zehn Jahre in der Automobilbranche im Bereich der Usability- und Konsumentenforschung tätig.

Prof. Dr. Christa Wehner M.A. ist Kommunikationswissenschaftlerin und leitet seit 2000 den Studiengang BWL/Marktforschung und Konsumentenpsychologie an der Hochschule Pforzheim. Zuvor war sie bei ZUMA in Mannheim, der GfK in Nürnberg und RSG Marketing Research in Frankfurt tätig.

Wie kamen Sie dazu, ein Buch über das Thema "Onlinefragebogen" zu schreiben?

Ulrich Föhl: Online-Fragebögen werden in vielen Bereichen eingesetzt, auch in Tätigkeitsfeldern, in denen noch wenig Vorerfahrung mit empirischer Forschung besteht. Hier wollten meine Koautorin Christine Friedrich und ich ansetzen und eine kompakte Einführung schaffen – mit Beispielen auch aus den Erfahrungen der Begleitung vieler „erster“ Befragungsprojekte, die uns gezeigt haben, wo typische Fehlerquellen liegen. 

Wo fängt man an, wenn man eine Online-Befragung durchführen muss?

Christa Wehner: Bevor man sich an die Ausformulierung des Fragebogens macht, sollten die Forschungsfragen, also das, was man herausfinden möchte, zusammengestellt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Fragebogen die Erkenntnisse liefert, die benötigt werden. Beim ersten Kontakt mit dem Thema Befragung ist es wichtig, sich entsprechende Grundlagen anzueignen. 

Was muss ich besonders beachten bei der Planung und Gestaltung eines Onlinefragebogens?

Ulrich Föhl: Im Planungsprozess sollte frühzeitig geklärt werden, ob und wie die anvisierte Zielgruppe online erreichbar ist, andernfalls sollte auf andere Erhebungsformen zurückgegriffen werden. Für die technische Umsetzung des Fragebogens muss ein Tool ausgewählt werden, das alle benötigten Fragenformate und methodischen Elemente bietet.


Für die Formulierung der Fragen und Antwortmöglichkeiten gilt: Da ein Online-Fragebogen keinerlei Möglichkeiten für Rückfragen bietet, müssen diese absolut eindeutig und leicht verständlich formuliert sein. Das klingt einfach, ist es in der Umsetzung aber nicht.


Auch muss es einem Online-Fragebogen gelingen, die Befragten zu motivieren und in kurzer Zeit eine positive Beziehung aufzubauen. Dabei kommen insbesondere der Startseite sowie den ersten Fragen eine besondere Bedeutung zu. Und zuletzt: Bevor eine Studie ins Feld geht, sollte unbedingt ein Pretest mit Vertretenden der Zielgruppe durchgeführt werden. Kritische Rückmeldungen zur Verständlichkeit von Fragen verbessern die Qualität einer Befragung deutlich.


Was sind die häufigsten Fehler von Einsteigern beim Aufsetzen einer Online-Umfrage?

Christa Wehner: Gerne unterschätzt wird die Schwierigkeit der Formulierung präziser Fragen. So wird etwa bei der Frage „Wie hoch ist Ihr jährliches Einkommen?“ nicht deutlich, ob es um das Brutto- oder Nettoeinkommen geht. Auch werden nicht selten die Forschungsfragen wörtlich in den Fragebogen übernommen. Die Forschungsfrage „Inwieweit beeinflusst die Social-Media-Nutzung das Kaufverhalten?“ ist aber zu komplex, als dass sie in dieser Form valide beantwortet werden könnte. Hier bedarf es einer Aufteilung in mehrere Fragen.

Welche Hilfestellungen bieten die verschiedenen Umfrage-Software-Lösungen an?

Ulrich Föhl: Tools bieten eine sehr gute Unterstützung bei der Umsetzung verschiedener Itemformate (z. B. Matrixfragen, Rankings) in ein für verschiedene Endgeräte optimiertes responsives Layout. Teilweise sind auch spezifischere Methoden wie Conjoint oder experimentelle Ansätze verfügbar.

Für die Formulierung des Fragebogens bedarf es jedoch grundlegender fachlicher Kenntnisse. DIY-Tools helfen daher in erster Linie Forschenden, die sich bereits mit Fragebögen auskennen.

Wann macht es Sinn auf Templates und vorgefertigte Fragen zurückzugreifen? Wann nicht?

Christa Wehner: Bei wiederkehrenden Themen, etwa der Messung von Konstrukten wie der Kundenzufriedenheit, muss das Rad nicht bei jeder Befragung neu erfunden werden. Gerade in der akademischen Forschung werden gerne Instrumente genutzt, die sich in früheren Studien bewährt haben.
Vorgefertigte Fragen und Templates können dann sinnvoll sein, wenn transparent ist, dass sie ihre Eignung bereits unter Beweis gestellt haben. Andernfalls ist vor allem dann von der Anwendung abzuraten, wenn jemand noch wenig Vorerfahrung mit der Entwicklung von Fragebögen mitbringt.

Literatur:
Brosius, H.-B., Haas, A. & Koschel, F. (2016). Methoden der empirischen Kommunikationsforschung (7. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.
Föhl, U. & Friedrich, C. (2022). Quick Guide Onlinefragebogen. Wiesbaden: Springer Gabler.
Möhring, W. & Schlütz, D. (2019). Die Befragung in der Medien- und Kommunikationswissenschaft (3. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.
Porst, R. (2014). Fragebogen: Ein Arbeitsbuch (4. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.

Schritt 2: Wie Sie das Forschungsthema und die Zielgruppe konkretisieren

In diesem Schritt ist es hilfreich, sich über die verschiedenen Aspekte des Untersuchungsthemas klar zu werden. Beim Thema „Marketing Club“ finden sich beispielsweise: Image, Wettbewerber, Status-Quo, Medialer Auftritt, Mediennutzung, interne Betreuung, Veranstaltungsangebot, Preis-/Leistungsverhältnis etc.. Aus den Oberbegriffen lassen sich dann einfacher konkrete Fragestellungen und Hypothesen zur Erhebung ableiten.

Empfehlenswert für die Konkretisierung ist es, die Forschungsfrage im Anschluss in mehrere klar formulierte Unterfragestellungen, sogenannte Programmfragen, aufzuteilen. Studierende werden in ihrer wissenschaftlichen Arbeit an dieser Stelle eher Hypothesen ableiten. Das wären Annahmen wie: Jüngere Mitglieder wünschen sich eine Erweiterung der digitalen Angebote.

Beispiel:
a. Konkretisierte Programmfragen

  • Welche Bindung hat die Zielgruppe zum Marketing Club?
  • Welche Einstellung hat die Zielgruppe zum Vereinsangebot?
  • Welche Stärken und Schwächen sehen die Befragten?
  • Welche Konkurrenten gibt es in der Region mit welchen Besonderheiten?
  • Welches Selbstverständnis hat der Marketing Club?
  • Welche Vorteile bieten eine Mitgliedschaft?
  • Wie wird der mediale Auftritt bewertet?
  • Wo liegt die Zufriedenheit mit dem MC bei den Befragten?
  • Wie wird die interne Betreuung bewertet?
  • Wie wird das Veranstaltungsangebot empfunden?
  • Wie wird das Preis-/Leistungsverhältnis eingeschätzt?
  • Welche Einstellung hat die Zielgruppe zu einer Weiterempfehlung des Vereins?

Unser Tipp:

Eine genaue Formulierung der Programmfragen erleichtert die spätere Ausarbeitung des Fragebogens.

b. Konkretisierung der Zielgruppe

Für das objektive Ergebnis einer Befragung ist es entscheidend, dass die Teilnehmenden möglichst die gesamte Zielgruppe, die Grundgesamtheit widerspiegeln. Je nach Größe und Struktur der Grundgesamtheit stellt sich die Frage, bis wann eine Vollbefragung möglich ist. Alternativ kann eine repräsentative Auswahl an Teilnehmenden befragt werden. Die sogenannte Stichprobe sollte zufällig gewonnen werden und ausreichend groß sein. Hierfür gilt es, die Bevölkerungsgruppe, die für die Umfrage relevant ist, zu erkennen und Kontaktmöglichkeiten abzuwägen.

Für unser Beispiel kann die Stichprobe aus den Mitgliedern, ehemaligen Mitgliedern und Interessenten gewonnen werden. Durch die unterschiedlichen Altersgruppen wird es neben sozialen Medien, E-Mail und die Website nur über zusätzliche Briefsendungen oder eine direkte Ansprache bei einer Veranstaltung möglich sein, eine repräsentative Stichprobe aus der gesamten Zielgruppe zu gewinnen. Lesen Sie dazu auch folgenden Beitrag: Umfrage-Teilnehmende: Optimale Stichprobengröße.

Literaturnachweise:
Quick Guide Onlinefragebogen, 2022, U. Föhl und C. Friedrich
Marktforschung. In der Reihe "Modernes Marketing für Studium und Praxis". H.C. Weis und P. Steinmetz. Kiehl-Verlag.

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