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Ruth Wakenhut & Dirk Wieseke, Kernwert Qualitative Forschung – Hand in Hand mit der KI

Die Zusammenarbeit mit der KI bereichert schon heute die qualitative Forschung und ermöglicht Dinge, die vor kurzem noch auf der Wunschliste vieler Forschenden standen. Dieser Beitrag erläutert anhand dreier Praxisbeispiele, wo die aktuellen Schwerpunkte liegen und wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Praxis helfen kann, Zeit zu sparen und Komplexität zu reduzieren.

Ruth Wakenhut und Dirk Wieseke von Kernwert

Ruth Wakenhut und Dirk Wieseke von Kernwert über den Einsatz von KI in der qualitativen Marktforschung

In zahlreichen Lebensbereichen haben wir uns bewusst oder unbewusst bereits seit längerem mit künstlicher Intelligenz angefreundet. Ob es um die Erkennung gesprochener Sprache, Übersetzungen oder personalisierte Produktempfehlungen geht – KI begegnet uns in verschiedenen Facetten des Alltags. Wir haben uns daran gewöhnt und ziehen (meist) Nutzen aus den Fähigkeiten dieser Technologie. 

Doch wie sieht es in der Welt der qualitativen Forschung aus? Welchen Mehrwert kann KI heute für eine Forschung bieten, die auf Empathie, Interpretation und menschlicher Expertise basiert? Es gibt bereits einige visionäre Beiträge zur Einsatzmöglichkeit und Bedeutung von KI. Im Folgenden soll es weniger um die Zukunft gehen, sondern um die neuen Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz bereits heute für die qualitative Forschung bietet und wie Mensch und Maschine Hand in Hand arbeiten können. 

Das Potential von KI 

Beginnen wir mit den technischen Voraussetzungen. Die neuesten Large Language Models, zum Beispiel die GPT-Modelle von OpenAI, zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, ohne Vortraining komplexe Muster und Zusammenhänge zu erkennen und Antworten in Echtzeit zu generieren. Damit können sie im Prinzip für jedes Thema sofort eingesetzt werden. Das ist insbesondere für qualitative Studien von zentraler Bedeutung, da hier oft vergleichsweise kleine Datenmengen vorliegen.  

Eine unmittelbar spürbare Besonderheit ist die Fähigkeit, Sprache auf eine Art und Weise zu verstehen und zu erzeugen, die menschlicher Kommunikation ähnelt. Die KI wird zu einem Kommunikationspartner mit dem wir interagieren können, ohne dass wir im klassischen Sinne mit einer Software umgehen müssen. Diese natürliche Interaktion kann die Akzeptanz und das Vertrauen in die KI erhöhen, wir sehen sie nicht mehr als Black Box, sondern eher als Assistent, mit dem wir zusammenarbeiten können. 

Unterstützung für die Forschung 

Auch wenn KI-Modelle also menschenähnliche Dialoge führen können, ist die Zusammenarbeit doch neu und muss gelernt werden. Die KI ist zwar vortrainiert und verfügt über ausreichendes Weltwissen, dennoch müssen wir sie präzise briefen und klare Anweisungen geben, um die gewünschten Antworten zu erhalten.

Präzision ist entscheidend, da KI wortwörtlich arbeitet und nicht auf implizite Informationen zugreift – das kann zunächst ungewohnt sein. 

Das Besondere an dieser neuen Unterstützung wird beim Einsatz im Alltag schnell deutlich: Die KI ist immer ansprechbar, immer gleich konzentriert und verliert nie die Geduld. Stellen Sie sich vor, wie viel effizienter die Analyse von Daten werden kann, wenn ein unermüdlicher KI-Assistent im Hintergrund arbeitet, um die notwendige Vorarbeit zu leisten.  

Drei Möglichkeiten, KI in qualitativer Forschung zu nutzen 

Was heißt das konkret, wie können Forschende die neuen Möglichkeiten bereits heute für Projekte nutzen?  

Es gibt grob gesagt drei Möglichkeiten: 

  1. Allgemein zugängliche KI-Tools wie ChatGPT. Hierbei besteht die Herausforderung darin, Projekte datenschutzkonform umzusetzen und sicherzustellen, dass die Daten nicht für das Training der KI verwendet werden. Einige Unternehmen und Forschungsinstitute haben bereits Richtlinien entwickelt, um den verantwortungsvollen Einsatz dieser Tools durch organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten. 

  2. Spezialisierte Tools für bestimmte Aufgabenbereiche. Für die Analyse unstrukturierter Daten etwa MAXQDA oder ATLAS.ti, die eine umfassende KI-gestützte Kodierung offener Daten ermöglichen.  

  3. Integrierte Lösungen, die KI-Assistenz während und nach der Datenerhebung anbieten. Diese Lösungen ermöglichen Forschenden eine nahtlose Zusammenarbeit mit KI-Systemen, um verschiedene Phasen ihrer Forschungsprojekte zu optimieren. 

Wir bei KERNWERT haben uns frühzeitig dafür entschieden, eine integrierte Lösung bereitzustellen, unsere bestehenden KI-Features wie Sentiment-Analyse und Transkription zu erweitern und die neuen Modelle datenschutzkonform in unserer Plattform anzubieten. Das Ergebnis ist ein KI-Assistent, der ohne spezielle Vorkenntnisse angewendet werden kann und bereits seit mehreren Monaten in der Praxis erfolgreich genutzt wird. 

Einblicke in die Praxis 

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und schon heute sind Dinge möglich, die vor einem Jahr noch auf der Wunschliste vieler Forschenden standen. Vor allem in zwei Aufgabengebieten bereichert künstliche Intelligenz die qualitative Forschung: 

  1. Die Analyse von unstrukturierten Daten ist momentan die am häufigsten besprochene Anwendung und sicherlich ein Quantensprung, da KI einen erheblichen Anteil datenintensiver Aufgaben übernehmen kann. Dies umfasst beispielsweise die automatische Transkription von Interviews, die Identifizierung von Schlüsselbegriffen sowie die Zusammenfassung umfangreicher Datensätze. Auch Hypothesen können rasch überprüft werden, etwa ob es Unterschiede im Verhalten verschiedener Zielgruppensegmente gibt. Darüber hinaus kann die KI bei der Erstellung von Codes und Kategorien unterstützen. 

  2. KI leistet aber nicht nur bei der Datenanalyse, sondern auch vor und während der Datenerhebung wertvolle Hilfe. Sie kann Forschende bei der Recherche von Informationen unterstützen, Hypothesen generieren oder Moderationstexte entwerfen. Zudem kann die KI auf Basis aktueller Diskussionsbeiträge Vorschläge für vertiefende Fragen formulieren.  

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Drei Beispiele für den Einsatz von KI in der qualitativen Forschungspraxis 

Diese Möglichkeiten sollen anhand von drei Praxisbeispielen verdeutlicht werden 

Beispiel 1: Produkttest 

Für eine Untersuchung zum Thema Käse wurde ein Tagebuch mit Audiokommentaren durchgeführt. Die Teilnehmenden hielten den Konsum verschiedener Käsesorten in mobilen Tagebüchern fest. Das Forschungsteam setzte die KI für die Transkription der Sprachnachrichten ein, für das Zusammenfassen der Tagebücher und für einen ersten Vergleich von Subgruppen. Bei der Auswertung hat die KI zudem geholfen Muster zu erkennen, unter anderem ausgehend von der folgenden Frage: Gibt es wiederkehrende positive Erwähnungen oder Bewertungen bestimmter Geschmacksrichtungen oder Texturen in den Antworten? 

Beispiel 2: Diskussionen im Forum 

In einem mehrtägigen Onlineforum wurde über neue Mobilität diskutiert. Um die Vielzahl der Beiträge besser bearbeiten zu können, nutzte die Moderatorin den KI-Assistenten für einen schnellen Überblick über die relevantesten Diskussionsthemen. Unter anderem erstellte der KI-Assistent Zusammenfassungen und identifizierte besonders kontroverse Themen. Beispielfragen an die KI, die hilfreiche Antworten erzielten, waren etwa: Welche Themen im Zusammenhang mit neuer Mobilität wurden in der Community bisher am häufigsten diskutiert? Und: Welche Schlüsselwörter oder Begriffe wurden in den Diskussionen zur neuen Mobilität am häufigsten verwendet?  

Beispiel 3: Pre-Task und Nutzer-Interviews 

In einer Studie über Küchenmaschinen wurden Nutzer-Interviews durchgeführt. Vor den Interviews berichteten die Teilnehmenden in Pre-Tasks von ihren Ess- und Kochgewohnheiten. Die KI wurde eingesetzt, um Zusammenfassungen pro Person zu erstellen, so dass der Moderator schnell gut vorbereitet ins Interview gehen konnte. Die Interviews wurden dann später transkribiert und zusammengefasst. Für die Aufbereitung der Präsentation suchte der KI-Assistent abschließend noch Zitate zu Funktionen der Küchenmaschine heraus. 

Die Beispiele machen deutlich, wie Aufgaben zwischen KI und Mensch aufgeteilt werden können. Die Erfahrungen der letzten Monate zeigen, dass sich das Potential der KI vor allem in der Zusammenarbeit mit Menschen entfaltet. Immer mehr Forschende versuchen, KI-Assistenten in den eigenen Workflow einzubinden und einen integrativen Ansatz zu verfolgen. So entstehen neue Arbeitsroutinen, die von zeitaufwendigen Aufgaben entlasten und mehr Freiraum für die Interpretation der Daten und die Ableitung von Handlungsempfehlungen geben. 

Künstliche Intelligenz und DIY-Forschung 

Gerade im DIY-Bereich werden diese Synergien zwischen Forschenden und KI immer öfter genutzt, um schneller, effizienter und kosteneffektiver Daten zu sammeln und zu analysieren. 

Besonders wenn die Ressourcen begrenzt sind, kann KI den entscheidenden Unterschied ausmachen. Wenn bisher manchmal um jede offene Frage gerungen wurde, weil die Auswertung einen höheren Aufwand bedeutet, kann hier neu gedacht werden: Mit KI-Unterstützung haben qualitative Forschungsformate oft eine bessere Chance im Methodenwettstreit.

Für Unternehmen ist es so einfacher in einen offenen Dialog zu gehen oder Fragen zu explorieren.  

Zudem kann KI dazu beitragen, Neutralität zu wahren und mögliche Voreingenommenheit sowie Erwartungen gegenüber Zielgruppen auszugleichen. Für DIY-Projekte fungiert der KI-Assistent während des Projekts als ständiger Begleiter und kompetenter Partner, der Forschende in den verschiedenen Projektphasen unterstützen kann.  

Hand in Hand 

Die wahre Stärke liegt also in der Zusammenarbeit von Mensch und KI. Dies erfordert unter anderem auch ein starkes Engagement für Transparenz, sie ist der Schlüssel zur erfolgreichen Integration von KI in die qualitative Forschung.

Es sollte stets für alle Beteiligten klar und nachvollziehbar sein, auf welchen Daten die Aussagen der KI basieren, welcher Input von der KI stammt und wo menschliche Validierung und Interpretation passieren.  

Menschliche Intelligenz und Interpretation bilden nach wie vor das unverzichtbare Fundament qualitativer Forschung. KI kann jedoch heute schon ein hilfreicher Assistent sein, der Zeit spart, Komplexität reduziert und Erkenntnisse generiert, die mit rein menschlichem Einsatz nur sehr aufwendig zu gewinnen wären. 

 

Über die Personen

Dirk Wieseke ist Mitgründer und Geschäftsführer von KERNWERT und entwickelt mit seinem Team seit über 15 Jahren Software und Services für digitale Forschung mit qualitativem Schwerpunkt. Er berät Institute, Agenturen und Unternehmen bei der Konzeption und Umsetzung von digitalen Forschungsansätzen.

Ruth Wakenhut ist Soziologin und berät bei KERNWERT als Head of Business Development bei der Planung und Umsetzung von digitalen Studien, der Methodenwahl und dem Einsatz von KI. 

Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

EXKLUSIV

KERNWERT GmbH

Berlin

KERNWERT GmbH

9

KERNWERT – Software und Service für digitale qualitative Forschung seit 2005 KERNWERT ist führender Spezialist für qualitative…

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