Die IKEAisierung der Marktforschung DIY-Befragungen auf dem Vormarsch

Hilarius Dreßen, QuestBack

Hilarius Dreßen, QuestBack

Von Hilarius Dreßen, Geschäftsführer QuestBack

Immer mehr Unternehmen nehmen ihre Marktforschung selbst in die Hand. Komfortable Onlinebefragungs-Lösungen wie SurveyMonkey, SurveyGizmo oder Google Customer Survey finden großen Zuspruch. Mit ihrem Erfolg am Markt fragen immer mehr Marktforscher: Ist das eine Bedrohung? Oder ist die Entwicklung sogar positiv, weil beim "Fremdgehen" erst auffällt, wieviel Aufwand und Knowhow in einer Studie steckt - und die Kunden anschließend reuig zurückkehren?

Um die Frage zu beantworten liegt der Vergleich mit anderen Branchen nahe. Schließlich ist Do-it-yourself kein neuer Trend, andere Märkte hat DIY längst komplett umgekrempelt. McDonald’s, Vapiano, jede Tankstelle, alle Supermärkte, Amazon - die Liste von erfolgreichen DIY-Konzepten ist lang. Das interessanteste Beispiel ist IKEA. Dem schwedischen Möbelhaus ist das Kunststück gelungen, seinen Kunden einen Großteil der Arbeit aufzuhalsen, und dafür auch noch geliebt zu werden. Und ganz nebenbei hat der sympathische Möbelgigant zahllosen Möbelhändlern und -herstellern den Garaus gemacht.

"Uns passiert schon nichts."

Die Gretchenfrage lautet: Wie stark wird der DIY-Trend die Marktforschung verändern? Erwartet uns ein ähnliches Schicksal wie den genannten Branchen? Der Einwand kommt reflexartig: Nein, weil Marktforschung funktioniert ganz anders. Schließlich ist der Wertbeitrag von Marktforschung die fundierte Analyse, und die ist reich an Voraussetzungen. Forschungsdesign, Statistik, Routing, Verständliche Fragebögen, kurz: Methodische Kompetenz lässt sich nicht einfach in eine Software gießen! Dazu braucht man Experten. Oder etwa nicht?

Wem DIY-Software gefährlich werden kann - und wann

Um das zu beurteilen, lohnt sich ein Blick auf die typische Entwicklung von Software-Angeboten im Netz - die häufig üblicherweise DIY-Angebote sind. Diese Mechanismen auf die Marktforschung übertragen, beginnt DIY-Marktforschungs-Software als einfaches Fragebogen-Tool:

  • Man kann Befragungen durchführen, anonym und personalisiert. Man kann routen, filtern, randomisieren.
  • Es gibt ein Online-Schulungsprogramm mit Tutorials und Online-Support.
  • In einer neuen Version bekommt es eine Fragebogen-Bibliothek, die beinah jeden erdenklichen Einsatzzweck abdeckt.

Soweit sind wir jetzt. Bisher muss sich kein Markforscher ernsthafte Sorgen machen. Allerdings sollte man sich auch keinen Illusionen hingeben: Marktforschung ist ein globaler Markt und attraktiv für Software-Hersteller. Das bedeutet: Websoftware wird sich schnell und kontinuierlich weiterentwickeln, und ihr Leistungsumfang wird zusätzlich durch externe Services und Partnerschaften ergänzt:

  • Schnittstellen zu verschiedenen Panel-Anbietern mit integrierter Bezahlfunktion werden integriert.
  • Spezialisierte Marktforscher, die mit Software-Anbietern zusammenarbeiten und die günstige Abwicklung von Forschungsprojekten anbieten - Stichwort verlängerte Werkbank.
  • Schnittstellen für zusätzliche Datenquellen werden implementiert, z.B. Trackingdaten oder CRM- oder SAP-Daten. Das potenziert die unternehmensinternen Anwendungsfälle für die Software.
  • Regionale Datacenter werden eingerichtet, um lokalen Datenschutzbestimmungen zu entsprechen.
  • Die zunehmende Verbreitung von DIY-Software führt zu einer zunehmenden Standardisierung der eingesetzten Instrumente.
  • Echtzeit-Reporting von automatisiertem Feedback - samt Handlungsempfehlungen für Folgemaßnahmen führt dazu, dass die Software immer mehr Anwendungsfälle ohne menschliches Zutun abdecken kann.

Kurz gesagt: Die zukünftigen Versionen von DIY-Software hat durchaus das Zeug dazu, unentschlossenen Marktforschern gefährlich zu werden.

Die Guten ins Tröpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen

Das Aufkommen von DIY-Research-Software bedroht die Marktforschung nicht im Kern. Vielmehr wird sie die Branche beleben, im Sinne von Joseph Schumpeters Begriff der schöpferischen Zerstörung. Wir sehen zwei Entwicklungen:

  1. DIY-Software wird vor allem eingesetzt von Firmen, die bisher kaum Marktforschung betrieben haben. Daher sind hier keine nennenswerten Kannibalisierungseffekte mit Instituten zu beobachten. Vielmehr wächst die Bedeutung der Marktforschung, weil ein „Einsteiger“-Segment entsteht, und auch das Bewusstsein für den Wert der Marktforschung diese neuen Bereiche des Marktes erreicht. Das ist eine Chance.
  2. Die zukünftige Entwicklung von DIY-Software zu den oben beschriebenen Lösungspaketen ab etwa 2016 wird die professionelle Marktforschung spalten -und befreien. Ein Teil der Marktforschungs-Institute wird sich dazu entscheiden, ihre Zukunft vermehrt in einer Partnerschaft mit Software-Anbietern sehen. Dadurch werden sie Teil einer hoch skalierenden, industriellen Wertschöpfung, bei der sie Unternehmen ihre Dienste als flexible, verlängerte Werkbank anbieten. Andere Marktforscher werden sich auf Ihre Expertise in Spezialgebieten fokussieren, und sich noch stärker als Unternehmensberater positionieren. Deren Ressourceneinsatz wird sich verschieben vom »machen« zum »innovieren«. Das Ergebnis: Innovation, höherer Anspruch, mehr Wertschöpfung.

Eine Veränderung ist immer auch eine Chance

Diese Einstellung wählt man zweckmäßigerweise immer dann, wenn die Veränderung unaufhaltsam ist. Der Markt für Marktforschung ist heftig in Bewegung geraten, und das nicht erst seit es DIY-Software gibt. Doch das Aufkommen dieser Lösungen trägt zur Dynamik bei, und ihre wachsende Leistungsfähigkeit wird das in Zukunft nochmal stärker spürbar machen. Für Marktforscher ist der Moment gekommen eine Entscheidung zu treffen: Welchen Weg wollen Sie gehen? Liegt Ihre Zukunft in der industrialisierten, skalierten Marktforschung? Oder geht es Richtung spezieller Expertise Unternehmensberatung?

Dazwischen dürfte die Luft bald dünn werden.

 

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  1. Gerhard Graf am 04.09.2014
    Software an sich ist nicht das eigentliche Problem. Aber es wird schwierig, wenn der Behauptung nicht widersprochen wird, man müsste nur die richtige Software einsetzen, und schon hat man Forschung.
    Ein zentraler Knackpunkt - und das war mal common sense - ist die Art der Auswahl der befragten Personen. Alles, was im Zusammenhang mit DIY-Forschung diskutiert wird, bezieht sich auf Online-Panels, und die sind schon qua Rekrutierungsverfahren nicht repräsentativ.
    Aber, wie gesagt, das WAR mal common sense. Irgendwelche Daten kommen immer raus...

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