Cirk Sören Ott & Bernhard Keller Wie steht es um eine gelebte Customer Centricity in den Unternehmen?

Customer Centricity und Kundenorientierung werden inhaltlich unterschieden, zum Teil aber auch identisch wahrgenommen – zum bestmöglichen Verständnis sollte die Unternehmensgröße genauer betrachtet werden. Zu diesem Ergebnis kommen Cirk Sören Ott und Bernhard Keller nach der Befragung von 20 CX-Experten von Unternehmens- und Beratungsseite. Weitere Ergebnisse lesen Sie hier.

Customer Centricity (Bild: picture alliance / blickwinkel/McPHOTO/M. Gann | McPHOTO/M. Gann)

Wie steht es um eine gelebte Customer Centricity in den Unternehmen? (Bild: picture alliance / blickwinkel/McPHOTO/M. Gann | McPHOTO/M. Gann)

Was ist der Unterschied zwischen Customer Centricity und Kundenorientierung? Welchen Mehrwert liefert gelebte Customer Centricity für die Unternehmen? Diese und weitere Fragen haben wir an 20 CX-Experten von Unternehmens- und Beratungsseite gestellt, die wir über unsere Buchprojekte rund um Touchpoint Management und CX kennengelernt haben – oft auch als Autoren. Ausgewählte Ergebnisse der aktuellen Befragung sind im nachfolgenden Beitrag aufbereitet.

Customer Centricity und Kundenorientierung – identischer Inhalt oder zwei unterschiedliche Begriffe?

Viele Praxisbeiträge über Touchpoint Management und Customer Centricity geben nur einen unvollständigen Prozessausschnitt wieder. Denn nur langsam „sickert“ der ganzheitliche Management-Ansatz, aufbauend auf Customer Centricity, in die Breite der Unternehmen ein: Ausgehend von den international agierenden Konzernen erreicht das spezifische Wissen nur step-by-step auch den Mittelstand. Während in den Konzernen die Adaption des internationalen Ansatzes leichter möglich scheint, fällt den kleinen und mittelständischen Unternehmen die Wissensaneignung teils deutlich schwerer: mangels Zeit, mangels Sprachkenntnissen und mangels am Thema interessierter Geschäftsführungen – wie unsere eigenen Webkonferenzen und die vielfältigen Beiträge zu unseren Büchern zeigen.

Gleichwohl wird „Kundenorientierung“ bereits in vielen kleineren Unternehmen gelebt. Dies ist möglich, weil fast alle Beschäftigten hautnah an und mit den Kunden arbeiten. In größeren Unternehmen hingegen haben oft nur noch die Servicemitarbeiter und die unmittelbar mit den Kunden verhandelnden Vertriebsleute den direkten Kontakt. In kundenentfernt(er)en Abteilungen der Konzerne, fehlt vielfach dieser direkte Kundenkontakt – und damit auch das Gefühl für den Kunden und seine Motive und Bedürfnisse. Genau dort setzt „Customer Centricity“ mit all seinen Inhalten an, und vernetzt Abteilungen und Hierarchien, um das „Silodenken“ zugunsten einer professionellen Ausrichtung am Kunden zu überwinden. Durch die konsequente Weitergabe der Kundenerfahrungen – positiver wie negativer Art – in alle Abteilungen hinein, sehen auch Entwicklungs- und Backoffice-Abteilungen die Auswirkungen ihrer eigenen Arbeit auf die Kundenerlebnisse und (wo artikuliert oder berechnet) auf die Rentabilität bzw. die Stabilität von Arbeitsplätzen.

Sollte das Ideal der Customer Centricity von jeder Person im Großunternehmen verinnerlicht sein und gelebt werden, dürfte es keinen Unterschied zur Kundenorientierung in kleineren Unternehmen mehr geben.

Am Ende ist es auch eine Frage der Konsequenz in der Umsetzung, meint Manfred Maier von der IONITY GmbH: „Beim Begriff Kundenorientierung wurde der Kunde oft wie ein Fremdkörper außerhalb des Unternehmens betrachtet. Beim Begriff Customer Centricity wird dagegen sehr deutlich, dass der Kunde im Mittelpunkt des Unternehmens steht. Alles dreht sich um den Kunden. Wenn Kundenorientierung bzw. Customer Centricity aber richtig gelebt werden, gibt es zwischen den beiden Begriffen kaum Unterschiede.“

Gelebte Customer Centricity – wo steckt der Mehrwert?

Der Mehrwert einer gelebten Customer Centricity wird erstmal eher einfach beschrieben: Kundenloyalität und Empfehlungsbereitschaft steigen, als Folge ebenso die Umsätze und Gewinne – mit der Einschränkung: „, wenn man es richtig macht …“. Es lassen sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten, die sich immer dann ergeben, wenn die Zufriedenheit der Kunden mit dem Produkt und dem Service bzw. der Kommunikation an den für den Kunden relevanten Kontaktpunkten stimmt. Kunden „spüren“, wenn Unternehmen und Mitarbeiter sich „ehrlich“ um sie als Kunden bemühen, wenn es vorrangig um sie als Kunden geht und nicht (nur) um die Produkte. Die wahrgenommene Wertschätzung des Kunden trägt zur Bindung an das Unternehmen bei – mit den positiven Folgen für Cross- und Up-selling, für Weiterempfehlung und auch Verzeihen von Fehlern. Das ist die eine Seite.

Gelebte Customer Centricity schließt zudem auch die Mitarbeiter aktiv mit ein. Denn nur wertgeschätzte Mitarbeiter werden sich weiter ambitioniert für die Kunden und damit das Unternehmen engagieren. Dies tun sie, indem sie ihre Erfahrungen mit den Unternehmensprozessen und deren Auswirkungen auf die Kunden aktiv in die Optimierung der Prozesse einbringen, und (später) die Konsequenzen des eigenen Handelns als Rückmeldung der Kunden erleben. Mitarbeiter und Führungskräfte erleben so hautnah die Sinnhaftigkeit ihres Handelns – auch das schafft Mehrwert.

Torben Tietz von der MSR Consulting Group bringt es auf den Punkt: „Customer Centricity schafft Sinn (Purpose) und steigert den Erfolg. Insbesondere durch die Arbeit an der Haltung der Mitarbeitenden schaffen sich Unternehmen die Flexibilität, sich an verändernde Kundenbedürfnisse und neue Möglichkeiten der Bedürfniserfüllung anzupassen.“

Die weiteren Gewinne für das Unternehmen: schlankere und effizientere Prozesse, flexiblere Mitarbeiter und Verhaltensweisen, angelegt auf Dauer, weil gelebte Customer Centricity einen kontinuierlichen Prozess darstellt. Deshalb ist gelebte Customer Centricity nachhaltig.

All das ist ohne Marktforschung nicht möglich: Erlangung eines umfassenden Kundenverständnisses zu Motiven, Bedürfnissen und Verhaltensweisen – verknüpft mit dem permanenten „real time“ Feedback zu den Kundenerlebnissen an den relevanten Touchpoints. CX braucht die Marktforschung – und auch umgekehrt. Hier gilt es aber gemeinsam noch genauer abzuwägen, in welchen Bereichen man sich wie unterstützen kann. Sonst lassen sich hier die Silos nur schwer aufbrechen.

Über die Autoren

Cirk Sören Ott, Vorstand - Nymphenburg-Consult-AG (Bild: Nymphenburg-Consult-AG)
Cirk Sören Ott ist Vorstand bei der Gruppe Nymphenburg Consult AG, München. Ott hat über 20 Jahre Marktforschungs- und Beratungserfahrung. Seine Arbeitsschwerpunkte legt er auf das (veränderte) Multi-Channel-Kauf-/Kundenverhalten, das Touchpoint- und CX-Management, den Einsatz von Neuromarketing am POS und neueste Entwicklungen im Category-Management sowie Promotion-Optimierung. Davor war Ott in leitenden Funktionen bei EMNID und TNS Infratest tätig, zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung im Forschungsbereich Consumer.

Bernhard Keller, Sozialwissenschaftler (Bild: Bernhard Keller)
Bernhard Keller ist Sozialwissenschaftler und enthusiastischer Marketingforscher. Für ihn stand schon immer der Mensch im Mittelpunkt der Forschung – als Wähler, als Kunde und als engagierter Bürger. Die Praxis der Meinungs- und Marktforschung hat er bereits im Studium in wissenschaftlichen Forschungsgruppen kennengelernt (u.a. European Election Study, Forschungsgruppe Wahlen e.V.). Nach seinem Studium war er in verschiedenen Positionen an den Universitäten Mannheim, Waterloo (Kanada) und Augsburg tätig, bevor er in die kommerzielle Marktforschung (u. a. GfK-Gruppe, Emnid, TNS Infratest, MaritzCX) wechselte. Seit nunmehr 30 Jahren schreibt und spricht er zu Themen mit dem Menschen und Kunden im Fokus.

Beiden gemein ist ihre Leidenschaft für die Herausgabe der Bücherreihe rund um Touchpoint Management und Customer Experience. Nach 'Touchpoint Management' und 'Touchpoint Culture' erscheint Ende diesen Jahres der dritte Praxis-Band bei Haufe mit dem Titel "Touchpoint Live". Darin enthalten sind zahlreiche Beiträge zur Umsetzung von CX in den Unternehmen und die vollständigen Ergebnisse der in diesem Beitrag vorab gezeigten CX-Experten-Befragung.

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