Bernhard Keller & Cirk Sören Ott "Leuchttürme auf dem Weg zur CX-Etablierung/-Konsolidierung"

Das Buch ist Ihr dritter Herausgeberband rund um das Thema Touchpoint Management. Was hat Sie motiviert zu diesem Thema noch einmal eine Lektüre herauszubringen?
Bernhard Keller: Wir haben in unseren Webinaren die Bandbreite an Erfahrungen und damit Entwicklungsschritten in den unterschiedlichen Unternehmen gesehen und gehört, Defizite analysiert und nachgeforscht, an welchen Hindernisse Initiativen gescheitert sind. Gleichzeitig haben wir die Erfolgsgeschichten vernommen und gelesen. Die Erfolgsgeschichten zeigten, mit welchen Vorgehensweisen die aufgezeigten Hindernisse vermieden bzw. überwunden werden können. Das war unser Antrieb: Autor:innen zu gewinnen, die ihre Wege zum Erfolg mit der Leserschaft teilen wollten, die somit als Leuchttürme auf dem Weg zur CX-Etablierung/ -Konsolidierung fungieren konnten. Und natürlich war es auch eine Frage des Egos: Touchpoint Management und CX ist als Thema aktueller denn je, viel Neues ist zu erfahren und nach zwei Büchern macht sich ein Drittes gut, das inhaltlich nochmals anders konzipiert ist als die Vorgänger, denn wir unterscheiden diesmal zwischen den vielfältigen Möglichkeiten TPM im Unternehmen umzusetzen: Voraussetzungen einer erfolgreichen Implementierung werden vorgestellt und diskutiert, ebenso digitale Ansätze und spezielle Methoden und Tools.
Das Buch lebt von den Beiträgen der Autorinnen und Autoren, die sich die Zeit genommen haben, neben ihrer täglichen Arbeit diese mit ihren Tücken und Erfolgen zu beschreiben, schreiben Sie selbst in der Einführung. Welche Beiträge sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Cirk Sören Ott: Da wir uns mit allen Beiträgen intensiv beschäftigt haben, diese mehrfach gelesen und Rückmeldung an die Autor:innen gegeben haben, sind uns alle bestens in Erinnerung – immer noch. Es ist uns glücklicherweise gelungen, ein gut abgestimmtes Mosaik aus Erfahrungen von kleinen lokalen Unternehmen wie Brillen-Bott Hörgeräte oder dem Studienkreis (Unternehmen, denen Touchpoint Management lange ein Fremdwort war) bis hin zu global agierenden Unternehmen wie Samsung, SAP und Toyota zu erstellen. Es ist zu sehen, dass gleichgültig, ob CX als Label gekannt oder genutzt wird, die hinter Touchpoint Management stehenden Prozesse überall, wenn auch in unterschiedlichen Stadien, gelebt werden.
Eine wesentliche Frage, die sich die Autoren in Ihrem Buch zunächst stellen ist: „Was genau ist CX – und was nicht?“ Zu welchem Ergebnis kommen sie?
Bernhard Keller: Zum gleichen wie die meisten Publikationen: Unter CX wird vieles verstanden, das sehen wir an den Jobbeschreibungen, an den Titeln für Personen, an den Verortungen in den Abteilungen und Hierarchien eines Unternehmens. So ist in vielen Unternehmen als einer der ersten Schritte notwendig zu klären, was im Unternehmen unter CX zu verstehen ist. Wichtig ist, dass die verschiedenen Aufgabengebiete sich nicht überschneiden (Konkurrenzdenken), sondern lückenlos miteinander verbunden sind. Zudem, dass der Kunde im Mittelpunkt steht und nicht die Prozesse und Methoden.
Unter anderem am Beispiel der LV 1871 wird die Einführung und Implementierung eines CXM-Systems aufgezeigt. Wie gelingt der Schritt von der Vision zur CX-Strategie?
Cirk Sören Ott: Wie von vielen CX-Expert:innen betont, ist jeder Versuch der Einführung ohne den Rückhalt der C-Suite sinnlos. Was Amelie Höllersberger als zweite Bedingung besonders betont: die Kolleg:innen als wichtig zu erachten, ihre Erfahrungen ernst zu nehmen. Nur die gleiche Augenhöhe = Wertschätzung motiviert die Belegschaft. Das bedeutet, sich als CX-Experte in die Arbeit der Kolleg:innen einzubringen, in den Abteilungen zu hospitieren, um die dortigen Anforderungen und Hindernisse zu verstehen, eine Wissensbibliothek aufzubauen, um für ein einheitliches Verständnis der Fachbegriffe und Prozesse zu sorgen und um die Zusammenhänge zwischen der jeweils abteilungseigenen Arbeit zum Kundenerlebnis aufzuzeigen. Grundlagenworkshops binden alle Kolleg:innen ein und klären die letzten Fragen und Zweifel. Wo dann noch Widerstände vorhanden sind, muss individuelle Überzeugungsarbeit geleistet werden, was auch bedeutet Sponsoren und Unterstützer zu gewinnen und aktiv einzubinden. Die ersten, schnell zu startenden CX-Pilotprojekte müssen die ersten Erfolge erbringen und die unternehmensweite Kommunikation zeigt die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen, was auch als legitimierende Rückmeldung an die Führungskräfte zu verstehen ist. Ein Tipp: die detaillierte Ausarbeitung von Frau Höllersberger lesen!
Wie Touchpoint Management im Bereich der Nachhilfe funktioniert, wird anhand des Beispiels „Studienkreis“ aufgezeigt. Wie können Kunden gewonnen und gehalten werden?
Bernhard Keller: Das Beispiel zeigt sehr gut auf, wie stark dezentrale CX-Initiativen an einzelnen Standorten zum Gesamtbild beitragen. Denn erst das Zusammenwirken von zentralen und lokalen TPM-Maßnahmen stellt sicher, dass langfristig das Leistungsangebot und die Kompetenz des Studienkreises in den Köpfen der Zielgruppen verankert werden. Je besser diese Verankerung gelingt, umso größer ist der Vertrauensvorschuss, den potentielle Kunden der Marke Studienkreis und damit dem Institut vor Ort entgegenbringen – gleiches gilt für bereits gewonnene Kunden im Sinne einer erfolgreichen Kundenbindung.
Wie können Live Touchpoints ohne Verluste in die digitale Welt überführt werden?
Cirk Sören Ott: Das ist eine komplexe Herausforderung, wie es das Praxisbeispiel von SAP sehr plakativ aufzeigt. Kerstin Köder und Friederike Kohl verdeutlichen, dass digitale Touchpoints für das B2B-Marketing des Unternehmens – insbesondere aufgrund von Corona – stark an Bedeutung gewonnen haben. Es geht darum, ohne physische Berührungspunkte Nachfrage zu generieren, denn die zuvor dafür genutzten Kontaktpunkte wie Messen, Kundenevents oder Roadshows, sind pandemiebedingt derzeit eher irrelevant. Dazu müssen den Kunden auch digital die richtigen Informationen zur richtigen Zeit bereitgestellt werden. Wesentlich zum Gelingen beitragen kann hier ein integriertes Kontaktmanagement zwischen den verschiedenen Fachbereichen, die für die unterschiedlichen Kontaktpunkte verantwortlich sind, sowie eine unternehmensweite Datenbank, die eine einheitliche Sicht auf jeden Kunden und seine Kontakthistorie ermöglicht. Das zu orchestrieren und die Transformation von physischen zu digitalen Touchpoints zu meistern, ist bei SAP zentrale Aufgabe des Marketings.
Im Schlussteil schreiben Sie, dass zwei wesentliche Fragen, die das Buch klären will, folgende sind: "Ging es bei TPM und CX in den letzten Jahren inhaltlich eigentlich weiter voran oder stagniert der Ansatz? Und müssen wir die Bedeutung von Customer Centricity im Zeitalter von Corona als zentraler Erfolgshebel für Unternehmen kritisch hinterfragen?" Zu welchen Ergebnissen kommen Sie?
Bernhard Keller: Deutlich wurde, dass sehr viel angepackt wird – auch mit nachweislichem Erfolg –, die Reise hin zu einem optimierten Kundenerlebnis ist aber noch längst nicht zu Ende. Die Corona-Krise hat dabei die Prozesse und die Veränderungsdynamik beschleunigt, da hierdurch vor allem die Digitalisierung von den Unternehmen vorangetrieben werden musste. Die Pandemie hat offensichtlich gerade in den Branchen einen zusätzlichen großen Schub ausgelöst, in denen der Kontakt zwischen Menschen (wie in Finanzinstituten und deren Vertrieben) bzw. Menschen und Produkten (wie bei Auto- und Modehäusern) einen großen Stellenwert hat. Bei all dem muss man aber neben der Wertschaffung für den Kunden auch die für andere Akteure und Partner zu schaffenden Werte innerhalb des Ökosystems fest im Blick haben. Letztlich geht es für Unternehmen daher nicht nur um Customer Centricity, sondern ganzheitlich um »Value Centricity«.


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