Sebastian Syperek, Deutsche Bahn AG, DB Vertrieb "Ich verstehe unter CX nicht das, was viele Institute darunter subsummieren"

Welche Rolle spielt die Marktforschung im CX der Deutsche Bahn? (Bild: picture alliance / Xinhua News Agency | Lu Yang )
Von Ihnen stammt die Aussage: „CX ist alles und nix“. Was meinen Sie damit genau?
Sebastian Syperek: Ich verwende in diesem Zusammenhang gern die Aussage „alles und nichts zugleich“, da der Customer Centricity Begriff mittlerweile leider häufig inflationär verwendet wird: Etwas, von dem jedes Unternehmen sagt, dass „sie es konsequent verfolgen“, hat letztendlich Null Differenzierungs-Potenzial. Es gehört mittlerweile fast überall „zum guten Ton“, Kundenzentrierung als Kernstrategie für sich zu postulieren. Die Frage ist natürlich, wieviel jeweils wirklich dahintersteckt.
Darüber hinaus drückt der Satz aus, dass bei vielen Fürsprechern – seien sie nun lediglich „Alibi-Kundenzentrierer“ oder aber tatsächliche glühende Verfechter – eine klare Definition fehlt, was sie damit im Detail meinen.
Der Begriff wird oft derartig schwammig eingesetzt, dass niemand genau weiß, was die proklamierende Partei damit für sich bzw. ihre Company beansprucht.
Hier kann Marktforschung einen starken Beitrag leisten, indem sie systematische Herangehensweisen und eine klar quantifizierbare Zielorientierung fördert. Mehr noch: Auf der qualitativen Seite ist die Marktforschung geradezu dazu prädestiniert, psychologische Kundenmotive – beispielsweise von besonders zufriedenen oder besonders unzufriedenen Kunden – aufzudecken und so Insights-basierte Kundenzentrierung überhaupt erst zu ermöglichen.
Wie definiert die DB das Thema CX für sich?
Sebastian Syperek: Nach unserem Verständnis umfasst die Customer Experience die Gesamtheit aller Eindrücke, die ein Kunde während der gesamten Dauer der Kundenbeziehung erhält. Heruntergebrochen auf den zentralen Use Case – eine Fahrt mit der DB von A nach B – meinen wir damit die gesamte Reisestrecke unserer Gäste, von Tür zu Tür inkl. der Planung und eventueller vor- oder nachgelagerter Erlebnisse.
Dies umfasst sämtliche individuellen Wahrnehmungen und Interaktionen des Gastes an den verschiedenen Touchpoints, also z.B. in der App DB Navigator oder im Reisezentrum, im Zubringer-Zug, im ICE, am Bahnhof oder auf dem Call-a-Bike Fahrrad im sogenannten „Nachlauf“ der Reise. Die Customer Experience stellt ein holistisches Konstrukt dar, das eine Reihe von Prozessphasen umschließt, und wird von uns als vorgelagerte Größe zur Kundenbindung betrachtet.
Welche Rolle spielt die Marktforschung beim CX der DB?
Sebastian Syperek: Unserer Ansicht nach ist es von zentraler Bedeutung, dass die Bearbeitung der Customer Experience und das Performance Management der Produkte KPI-gestützt erfolgen. Deshalb hat die DB in Kernbereichen des Personenverkehrs, z.B. im Fernverkehr, bereits ein bis ins Detail durchdachtes Performance-Steuerungs-System entwickelt, in das neben Financial KPIs auch CX-Aspekte konsequent einfließen. Dazu müssen aufwändige Kundenzufriedenheits-Studien durchgeführt werden, die eine hohe Anzahl an Interviews umfassen und häufig zahlreiche verschiedene Erhebungs-Modi kombinieren.
Daneben arbeiten die Marktforscher auch auf der Insights-/qualitativen Seite im Customer Experience Management mit. Beispielsweise stellen sie bei der Identifikation der erfolgversprechendsten Use Cases für Adhoc-CX-Projekte regelmäßig die relevantesten Insights bereit. Diese stammen in der Regel aus Adhoc-Studien oder auch mal aus Verfahren, die dem Design Thinking näher stehen, wie etwa Shadowing oder ethnografische Ansätze.
Wie ist das Thema CX bei der Deutschen Bahn aufgehängt? Gibt es da ein eigenes Team?
Sebastian Syperek: Es gibt ein Customer Experience Management Team (CXM), das über den Fernverkehr und ein CX Board im Management gesteuert wird. Marktforscher aus verschiedenen Einheiten des Personenverkehrs - Fernverkehr, Regio, Vertrieb, Konzern, etc. - steuern Customer Insights zu, die für Entscheidungen und strategische Weichenstellungen benötigt werden.
Wie wird man als Marktforscher zum CX-Fachmann? Was fehlt dem Marktforscher in der Regel?
Sebastian Syperek: Ein wirklicher Fachmann im Sinne meines Verständnisses von Customer Centricity kann man m.E. nur dann werden, wenn man im betreffenden Unternehmen selbst mitarbeitet und aus der Innensicht die Herausforderungen und Lösungsansätze kennenlernt.
Denn ich verstehe unter CX nicht das, was viele Marktforschungs- oder CX-(Forschungs-)Institute darunter subsummieren.
Auch wenn die Quantifizierung und Qualifizierung der Kundenbedürfnisse und die systematische Messung des Erfüllungsgrades äußerst wichtige Bausteine einer CX-Strategie sind, darf es dabei auf keinen Fall stehen bleiben: Am Ende ist der Kern von Customer Experience Management, das Erlebnis für den Kunden nachhaltig besser zu machen – also tatsächlich etwas mit den erhobenen Ergebnissen zu tun, Dinge umzusetzen – es für den Kunden „einfach zu machen“. Die Doppeldeutigkeit von „einfach“ in diesem Kontext hat mich auch auf die Idee für den Namen unseres Podcasts gebracht.
Gerne zitiere ich:
"Man kann das Schwein nicht fetter machen, indem man es immer (nur) wiegt." Wenn manchen herkömmlichen Marktforschern etwas zum „CX-Fachmann“ fehlt, dann ist es diese Erkenntnis.
Ihr Podcast, den Sie gemeinsam mit Lukas Kauderer betreiben heißt „CXEinfachMachen“. Wie sind Sie überhaupt auf diese Idee gekommen?
Sebastian Syperek: Wir haben beide aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Thema CX zu tun. Wir dachten uns, die Kombination aus „jungem Nachwuchs-Startup-Manager“ (im Textmining) und „etabliertem Marktforscher in einer Company“ wäre ein guter Perspektiven-Mix für einen Podcast. Außerdem hatten wir beide Lust darauf. Nachdem wir uns das allererste Mal persönlich in einem Café in Frankfurt getroffen hatten, haben wir es „einfach gemacht“.
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