KOLUMNE VON DR. JOHANNES KIRSCH Für die Steuerung des NPS braucht es die Kundenerforschung

Wenn sich die Qualität aus den Prozessen der Herstellung „im Kundendialog“ ergibt, dann muss dieser zentrale Prozess so gestaltet werden, dass er gesteuert abläuft. Er muss nachvollziehbar sein, dann ist er auch bewertbar. (Bild: picture alliance / CHROMORANGE | Bruno Kaegi)
Der NPS bewegt sich in einem solch großen fast irrationalen „Spread“, wäre er eine Aktie, müsste man vom Kauf abraten. Daraus folgt: Einen Wert, den man nicht steuern kann, der sich nicht plausibel entwickeln, gestalten lässt, den sollte man nicht berichten. Über das Wetter kann man nur reden.
Messe es, oder vergiss es, aber was Du misst, musst Du auch verstehen
Es wird behauptet, dass ein signifikanter Zusammenhang besteht zwischen der Höhe des NPS-Scores und der Zufriedenheit des Kunden mit der gewählten Leistung eines Produktes oder einer Dienstleistung.
Wenn wir alle diese Meinung teilen, dann ist es zwingend notwendig, nach Wegen zu suchen, die geeignet sind, ihn rational, nachvollziehbar zu steuern.
Die Zufriedenheit selbst ist ein Etappenerlebnis aus dem unmittelbaren Kontakt. Ist sie hoch, dann sorgt sie dafür, dass sich unser Kunde wohlfühlt und Kunde bleibt.
Schaue ich mir die Tages-, Wochen-, Monatsbewertungen der verschiedensten, mir bekannten Dienstleister aus dem Kundendialog an, so kann ich nicht erkennen, was getan wird, um den Wert sukzessive zu steigern. Es scheint noch kein Mittel gefunden worden zu sein, das wirksam eine klare Entwicklungsrichtung erkennbar werden lässt. Was müssen wir verändern? Was läuft falsch?
Denkfehler Nr.1: Qualität kostet Geld
Qualität ist ein Attribut eines Produktes oder einer Leistung. Sie ist das Resultat eines gelungenen Herstellungsprozesses. Sie gewährleistet, dass eine „zugesicherte Verkehrseigenschaft“ erwartbar abrufbar ist. Qualitätsmängel müssen entsprechend durch den Hersteller behoben werden. Das gilt für alle Produkte, die wir erwerben. Bei Dienstleistungen ist das wohl komplizierter. Dort „abonnieren“ wir einen Service, den wir in einem zugesicherten Vertragszeitraum abrufen dürfen.
Bei der Dienstleistung ist der Kunde in den Herstellungsprozess mit einbezogen. Im Dialog wird festgelegt, wie genau die Services, die er nutzen will, ausgestaltet werden können: Welche Länder sollen in den Telefonvertrag mit einbezogen werden? Wie groß ist die Wohnung, die versichert werden soll? Oder wie viele Kilometer will man im Jahr mit wie vielen eingetragenen Fahrern mit dem KFZ zurücklegen? Für einen Dienstleister ist der Kundendialog, der regelmäßige Kontakt zum Kunden, von zentraler Bedeutung.
Qualität kostet Geld, denn sie ist das Ergebnis eines gelungenen, soliden Produktionsprozesses. Deshalb sind Qualitätsmängel so teuer.
Wenn sich die Qualität aus den Prozessen der Herstellung „im Kundendialog“ ergibt, dann muss dieser zentrale Prozess so gestaltet werden, dass er gesteuert abläuft und jederzeit qualitativ nachhaltig im Ergebnis erklärt werden kann: Schlechte Qualität führt zu Nachbesserungen, und das bewirkt Unzufriedenheit.
Denkfehler Nr.2: Der Agent im Kundenkontakt soll es richten; er ist der Dialogprozess
Der Dialog zwischen Menschen ist analog und gefühlvoll. Kunden sind bekanntlich zunächst für sich selbst Menschen. Egal, ob der Kunde schreibt oder mit seinem Dienstleiter spricht, er formuliert sein Anliegen in seiner Alltagssprache. Seine Sprache ist nicht die Verwaltungssprache, die ein Unternehmen spricht. Die Unternehmenssprache ist eine funktionale. Sie sammelt und rubriziert Informationen und ordnet sie als „Geschäftsvorfälle“ den internen Ablaufprozessen zu.
Der Agent im Kundenkontakt leistet Übersetzungsarbeit. Wer übersetzen soll, der muss beide Sprachen kennen; er muss über die semantischen Formen und grammatikalischen Regeln verfügen.
Das ist seine Aufgabe, nur dafür sollte er verantwortlich sein. Sein Auftrag ist es im Dialogprozess die Übersetzung sicher und nachvollziehbar zu leisten. Allzu oft ist der Agent für den Prozess der Herstellung einer Dienstleistung im Kundendialog zuständig; er schöpft sozusagen Grammatik und Semantik (das „Wording“). Das ist absurd und es erklärt ein Stück weit die Volatilität der Messwerte: Viele Agenten gestalten viele Prozesse oder „viele Köche verderben den Brei“. Auch in der Küche braucht es eine „ordnende Hand“.
Fragen Sie die für den Kundendialog Verantwortlichen – vielleicht sind diese gar nicht so leicht identifizierbar, weil sie ganz weit weg, ausgelagert sind. Oft ist nicht klar, wer die Briefe schreibt, oder am Telefon wirksame Sprachregelungen Anlass orientiert formuliert. Sie werden überrascht sein, wie wenig Ressourcen für diesen „Engineering“-Prozess aufgewendet werden. Meist wird der Kundendialog prekär bezahlten und linguistisch wenig befähigten Agenten in diversen „Callcentern“ überlassen. Die werden dann gerne mit dem NPS verprügelt. Die Androhung von Prügel erzeugt Angst, doch keine weniger volatilen, wirklich validen, rational gesteuerten Prozesse.
Denkfehler Nr. 3: Fragen statt zuhören
Fragen, so mühevoll auch immer formuliert, implizieren die Antwort mit; und allzu oft entspricht die Antwort dem „sozial korrekt Erwarteten“. Daraus folgt: Nur die Fragen, die man als Produzent kennt, werden gestellt und können folglich auch nur beantwortet werden. Und: Die Antwort ist gegebenenfalls die „rationalisierte“ Formulierung eines Gefühls, sie versprachlicht das „Unaussprechliche“. Zufriedenheit, Gebundenheit ist ein Gefühl, sie ist das Resultat von Erlebnissen. Wenn Sie fragen, dann bekommen Sie eine Antwort aus der Erinnerung an etwas Erlebtes, es ist dann schon durch den Filter der Zeit hindurch gegangen.
Im Kundendialog benennt der Kunde selbst sein Anliegen, manchmal sehr lautstark oder auch eher leise verzweifelt.
Ohne Fragen zu müssen, bekommen wir alle Informationen, wenn wir denn zuhören. Es gibt mittlerweile sehr valide Verfahren, die einen NPS-Wert automatisch am Ende eines jeden telefonischen Kontaktes errechnen. Was liegt näher, als diesen Messwert mit dem zu korrelieren, was der Kunde gerade erlebt hat? Durch „iterative“ Analyse der Analyseergebnisse bekommt man dann immer bessere, „inkrementelle“ Erkenntnisse über die Kontaktanlässe. Ebenso wie über die Prozesse, die man gestalten muss, um dem Kunden zufriedenstellende Erlebnisse zu liefern und damit Kundenbindung zu gestalten.
Denkfehler Nr.4: Die Marktforschung kann helfen
Marktforschende fragen gerne, zuhören scheint ihnen eher nur in „tiefenpsychologischen Sèancen“ oder Laborsituationen zu gelingen. Allein, es geht auch gar nicht um den Markt. Der Kunde ist schon im Laden, er hat einen Service „abonniert“ und somit bleibt er dem Landen verbunden.
Es braucht eine neue Disziplin: Die Kundenerforschung (!).
Wir müssen aus dem, was er uns erzählt, lernen, was wir tun müssen, um ihn zufrieden zu machen, um ihn langfristig, nachhaltig an uns und unser Leistungsnagebot zu binden. Kunden zu halten, ist in jedem Fall lukrativer, als immer wieder auf dem Marktplatz nach neuen Kunden Ausschau zu halten. Wir müssen sie „im Laden“ kennenlernen und darauf sollten wir uns konzentrieren.
Denkfehler Nr.5: Aber die Digitalisierung schafft Ordnung
Die Digitalisierung funktioniert nur, wenn die Prozesse robust, fehlerfrei und nachhaltig ablaufen. Dazu müssen sie zuerst einmal definiert werden. Aktuell kann man beobachten, dass ein Medium besonders stark im Fokus der Digitalisierung steht: Der automatisierte Dialog über die Internetplattformen. Man spricht heute gerne vom „Dialogbiotop“, und das scheint mir eine recht üble Monokultur klassischer „Arbeitsteilung“ zu sein.
„Omnichanneling“ stelle ich mir anders vor. Alle Prozesse im Kundendialog, egal welches Eingangstor zu welchem Anlass wie oft ein Kunde nutzt, müssen wir kennen, um sie aktiv und zuverlässig im Sinne unserer Qualitätsvorgaben gestalten zu können. Die „Dunkelverarbeitung“, die Automatisierung interner Verwaltungsprozesses ist nicht das, was wir brauchen. Es gilt die Reise des Kunden, während er unsere Services gebucht hat, sicher und jederzeit auch für uns nachvollziehbar zu gestalten, zu steuern.
Die künstliche Intelligenz, die wir gerne einsetzen würden, braucht human analogen Verstand, wollen wir dem Kunden eine schöne Reise mit großartigen, zufriedenstellenden Erlebnissen bereiten.
Den NPS zu steuern, heißt die Dialogprozesse, das „Wording-Design“ in jeder Reiseetappe befriedigend zu gestalten.
Schlussfolgerung: Für die Steuerung des NPS braucht es die Kundenerforschung und evaluierte Prozesse
Zunächst eine deutliche Aussage: Es ist nicht die Aufgabe eines Agenten oder eines Arbeiters die Produktionsprozesse zu planen. Kein Warenproduzent käme auf eine so absurde Idee. Der Kundendialog ist der zentrale Produktionsprozess eines Dienstleisters. Will er nachhaltig exzellente Qualität für sein Serviceangebot erreichen, dann muss er durch geeignete Verfahren alle Kundendialogprozesse in einem einheitlichen Auftritt gestalten. Der Agent, egal ob Roboter oder Mensch muss durch den Prozess geführt werden. Dann entsteht eine standardisierte Qualität analog der der Güterproduktion zu immer besseren Prozesskosten.
Die zur Beurteilung der Arbeits- oder besser der Sprech- und Schreibfähigkeiten benutzen Fragebogen und all die „appellativ“ dozierenden und küchenpsychologisch hochgerüsteten Coaches arbeiten ins Leere. Denn es sind die Produzenten der Leistungen, die die Prozesse organisieren müssen. Briefvorlagen und Sprachskripte geben standardisierte Prozesse vor. Nur aus den Prozessen lassen sich Arbeitsleistungen verbindlich strukturieren, messen und systematisch verbessern. Ohne wirksames Design lässt sich die Kundenbindung nicht nachhaltig steuern.
Über die Person
Dr. Johannes Kirsch studierte Soziologie und ist in einem Strukturvertrieb für Versicherungen ins Berufsleben gestartet. Ebenfalls bei einem Versicherer baute er die Marktforschung vertriebsnah mit auf und wechselte in den Direktvertrieb. Heute arbeitet er als Berater für Inhouse wie Outsourcing-Partner Kundenservicecenter. Sein Schwerpunkt war und ist in allen Funktionen die Entwicklung und Erhaltung von Kundenbindung und die prozessorientierte Qualitätssteuerung im Kundendialog.
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