Dr. Jörn Pyhel, Ipsos Enterprise Feedback Management – Schlauer durch mehr?

Machen mehr Daten über die Kunden auch eine bessere Customer Experience? Um sich nicht in der Informationsflut zu verlieren, muss CX auch strategisch weiterentwickelt werden. Technik kann dabei unterstützen, doch die Arbeitsorganisation dahinter bleibt entscheidend.

Dr. Jörn Pyhel

 


 

 

 

 

Wir leben in spannenden Zeiten. Technologische Entwicklungen greifen tief in Unternehmensprozesse ein. Die Customer Experience bleibt davon nicht unberührt. Softwareplattformen eröffnen die Möglichkeit, Kundenfeedback in Echtzeit und zu einst undenkbaren Preisen zu sammeln. Aber macht die jederzeitige Verfügbarkeit von Kundenfeedback Unternehmen wirklich schlauer und deren Kunden tatsächlich zufriedener? 

Nicht automatisch. Die Vorstellung, dass ein Unternehmen schlauer wird, wenn es mehr Informationen seiner Kunden bekommt, ist eine teure Illusion. Oft geschieht sogar das Gegenteil, nämlich dann, wenn die verführerische Menge an Informationen den Blick auf das Wesentliche verstellt. Hierin liegt eine Gefahr von automatisierten Enterprise-Feedback-Systemen (EFM). Sie sammeln an verschiedenen Touchpoints ereignisbasiert Kundenmeinungen. Die klassischen Fragen der Marktforschung, ob die richtigen Sachverhalte zuverlässig gemessen werden und welche Kunden sich eigentlich äußern, erscheinen im Lichte einer vermeintlichen Vollerhebung aus der Zeit gefallen.

Dennoch haben diese Fragen an Relevanz eher gewonnen als verloren – denn Unternehmen, die sich täglich (oder gar kontinuierlich) an falschen Daten ausrichten, können erheblichen Schaden nehmen. Nicht selten erliegen sie auch der Verlockung, sich auf taktische Interventionen zu konzentrieren. Dies geschieht vor allem dann, wenn Organisationen Probleme mit der schieren Menge an Kundenfeedback haben. In solchen Fällen wird sich häufig auf die Behandlung sogenannter "Hot Alerts" konzentriert. Für die strategische Entwicklung der Customer Experience bleibt dann nur wenig Zeit.

Zwei Bedingungen für den Erfolg mit EFM-Systemen

Was muss also geschehen, damit Unternehmen und ihre Kunden von den Segnungen automatisierter Befragungssysteme profitieren? Die Antwort ist vordergründig einfach: Die Systeme müssen smart sein! Und damit sind nicht die Algorithmen gemeint. Es geht vielmehr darum, Systeme aufzusetzen, die sich auf die Erhebung der wesentlichen Informationen beschränken und schlau in die Unternehmensorganisation integriert sind. So wird verhindert, dass sich Unternehmen in einer Informationsflut verlieren, sich ihre Kunden genervt Befragungen verweigern und die Mitarbeiter nichts Überzeugendes mit dem Feedback anzufangen wissen.

  1. Wider die Informationsflut
    Doch woher weiß man, was die wesentlichen Informationen sind? Hier kommen die guten alten Tugenden ins Spiel. Eine professionelle Analyse der Customer Journey sollte stets am Anfang stehen. In ihr werden Moments of Truth (MoT’s) identifiziert, in denen sich typischerweise entscheidet, ob Kundenjourneys erfolgreich verlaufen oder nicht. Schlecht gelöste MoT’s wirken sich häufig auf die gesamte weitere Journey des Kunden aus. Für Unternehmen ist es daher von zentraler Bedeutung, diese Situationen im Blick zu behalten (EFM-Systeme sind dafür prädestiniert). Diese kritischen Situationen korrespondieren übrigens nicht immer mit der formalen Leistung von Touchpoints.
    Deren isolierte Betrachtung übersieht nämlich, dass sich die Zufriedenheit und Unzufriedenheit der Kunden häufig dazwischen bildet. So können Kunden mit der Performance der Touchpoints zufrieden sein, auch wenn der Weg zwischen ihnen sehr beschwerlich ist. In der Praxis tritt dann das scheinbar widersprüchliche Ergebnis zutage, dass die Gesamtzufriedenheit der Kunden trotz sehr gut bewerteter Touchpoints verhalten ausfällt. Feedbacksysteme, die sich auf die MoT’s konzentrieren, sind dagegen smart. Sie messen jenseits mechanischer Touchpoint-Abfragen, was höchste Relevanz für die Customer Journey besitzt und entlasten die Organisation. So werden wichtige Informationen von weniger wichtigen Informationen getrennt, und die Mitarbeiter können ihre Zeit für die Betreuung wirklich kritischer Fälle verwenden.
     
  2. Einbettung in die Unternehmensorganisation
    Die Konzentration auf wesentliche Aspekte der Customer Journey ist nicht das einzige Kriterium für ein smartes Feedbacksystem. Am Ende geht es auch darum, wie Organisationen mit dem Feedback ihrer Kunden umgehen. Unserer Erfahrung nach lenkt eine kontrollierte Datenmenge die Ressourcen auf das Wesentliche und erhöht so die Erfolgswahrscheinlichkeit. Dies ist jedoch nicht hinreichend. Ebenso wichtig ist eine wohlüberlegte organisatorische Einbettung, damit Informationen an die richtigen Stellen gelangen und Funktionsträger im Sinne der Customer Experience handeln. Dies ist beileibe kein rein technisches Problem. Technik kann Kooperation in Unternehmen zwar unterstützen, aber kaum initiieren oder gar steuern. Hierfür sind Regelsysteme (z. B. Arbeitsanweisungen) erforderlich. Mitarbeiter müssen also genau wissen, was von Ihnen erwartet wird. Die Technik unterstützt sie dabei – mehr aber auch nicht.

Beratung und technische Umsetzung aus einer Hand

Wir haben gesehen, wie wichtig eine ganzheitliche Betrachtung von Feedbacksystemen ist. Mit dem Erwerb von Lizenzen und der Errichtung des technischen Systems ist es nicht getan. Jedes technische System ist nur so gut, wie die Arbeitsorganisation dahinter. Unternehmen sind deswegen gut beraten, sich von einem erfahrenen Customer-Experience-Partner unterstützen zu lassen, der gleichermaßen die Unternehmensorganisation und die technische Seite versteht. Idealerweise bietet er Beratung und technische Umsetzung aus einer Hand. So ist gewährleistet, dass die Arbeitsorganisation und das Feedbacksystem optimal aufeinander abgestimmt sind. Hier wird die Luft im Markt jedoch dünn.

Fazit

Ist ein passender Partner gefunden, stehen die Chancen gut, dass eingeführte Feedbacksysteme die Arbeitsweise von Unternehmen im Sinne einer starken Customer Experience wirkungsvoll unterstützen. Und ganz nebenbei verändern gut integrierte Systeme auch das Mindset der Mitarbeiter hin zu mehr Customer Centricity, die sich viele Unternehmen heute sehnlichst wünschen. Unternehmen werden so schlauer und nachhaltig erfolgreicher – und das ohne sich und ihre Mitarbeiter zu überlasten.

Zum Autor: Dr. Jörn Pyhel ist bei Ipsos als Manager im Bereich Customer Experience zuständig. Er berät Kunden in den Bereichen EFM und CX.

 

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