Wolfgang Sölch, Qualtrics Customer Journey Mapping: Denken wie der Kunde

Eine Landkarte der Reise des Kunden: Beim Customer Journey Mapping wird genau das erstellt. Welche Ziele die Customer Journey Map verfolgt und welche vier Schritte auf dem Weg zur sinnvoll einsetzbaren Map durchlaufen werden sollten, erklärt Wolfgang Sölch in seinem Beitrag.

Lukas möchte ein Haus kaufen und dafür eine Hypothek aufnehmen. Im Internet stößt er auf eine Anzeige mit attraktivem Zinssatz. Er holt sich Rat bei seiner Schwester, die bereits Erfahrung in diesem Bereich gemacht hat. Sie befürwortet die Hypothek. Lukas gibt seine Daten in einen Online-Hypothekenrechner ein: Alles im grünen Bereich, die Rückzahlungen sind erschwinglich. Daraufhin vereinbart er ein persönliches Gespräch in einer Filiale, um sich professionelles Feedback zu holen.

Ein erster Kontakt führt selten direkt zu dem Kauf eines Produkts. Meistens weckt er bloß Interesse oder erzeugt Aufmerksamkeit. Dennoch, die "Reise" des Kunden mit dem Unternehmen hat begonnen – und ist der Kunde glücklich, läuft das Geschäft. Doch je unterschiedlicher die Kundschaft und je diverser die Zahl der Touchpoints mit dem Produkt, desto schwieriger wird es, festzustellen, was den Kunden schmerzt und warum, und welche Mittelchen in welcher Dosierung notwendig sind, um ihn zufrieden zu stellen. Für Unternehmen ist es also wichtig, ihre Kunden und potentiellen Kunden immer im Blick zu behalten und ihnen an jedem Touchpoint die passende, auf ihn zugeschnittene Experience zu bieten. Genau hier kommt Customer Journey Mapping ins Spiel.

Den Kunden überall im Blick haben

Customer Journey Mapping – so wird das Erfassen, Beschreiben und Darstellen von all den Berührungspunkten mit dem Unternehmen bezeichnet, die ein Kunde vor, während und nach seiner "Reise" mit einem Produkt durchläuft.

Lukas persönliches Gespräch wegen einer Hypothek in der Filiale war aufschlussreich und er hat sich inzwischen für die Hypothek entschieden. Zu Hause füllt er das Online-Antragsformular aus. Danach erhält er eine E-Mail mit einem Bescheid, dass sein Antrag akzeptiert wurde. Gleichzeitig wird er dazu aufgefordert, ein offizielles Anmeldeformular auszufüllen. Dies erledigt er innerhalb von ein paar Tagen und schickt es dann ab. Daraufhin erhält er eine "Anmeldung eingegangen" Nachricht per E-Mail. Da in der Anmeldung ein paar Details fehlen, setzt sich ein Kundenservice Mitarbeiter mit ihm in Verbindung und erklärt, welche Informationen er noch nachreichen muss. Dies erledigt Lukas prompt und eine Einigung kommt zustande. Wenig später erhält er einen Brief mit einem verbindlichen Angebot für eine Hypothek. Nach dem Hauskauf bekommt Lukas eine finale Bestätigung der Hypothek mit allen weiteren Details.

Zusammengefasst ergibt das mitsamt der vier Touchpoints zu Beginn von Lukas Geschichte, elf Touchpoints, bis der Vertrag abgeschlossen ist. Bei dieser Menge an Berührungspunkten, gibt es viel Möglichkeit für Unzufriedenheit. Doch auf den ersten Blick handelt es sich bei Lukas um einen zufriedenen Kunden: Der Customer Satisfaction Score (CSAT) ist hoch, da er nun seine Hypothek abgeschlossen und erfolgreich ein Haus gekauft hat. Aber wie viele andere Kunden haben den Prozess begonnen und auf halbem Weg aufgehört? Nur weil ein Kunde schlussendlich zufrieden ist, kann sein Gesamterlebnis trotzdem mangelhaft sein, weil der Antragsstellungs-Vorgang zu komplex war oder sich der Kunde allein gelassen fühlte, weil es keinen hilfreichen Kunden-Support gab.

Ziel einer Customer Journey Map ist es, seine Bedürfnisse, Gefühle, Motivationen und Wahrnehmungen während aller Touchpoints herauszufinden, um positive Momente zu erkennen und auszubauen und negative Momente zu identifizieren und zu beheben. So durchlaufen Kunden langfristig eine optimal angepasste Customer Experience.

Schritt 1: Ein Team zusammenstellen

Nicht jeder Mitarbeiter eines Unternehmens steht in direktem Kundenkontakt wie der Kundenservice oder Sales. Trotzdem sollten bei dem Ausarbeiten einer Journey Map alle Abteilungen vertreten sein, denn auch Mitarbeiter ohne Kundenkontakt können wertvolle Einblicke und Betrachtungswinkel beisteuern. So haben Mitarbeiter aus dem Marketing beispielsweise die fundierten Daten und Zahlen zum Kundenverhalten und kennen die Kanäle, über die Werbung geschaltet wird. HR kann Einschätzungen aus der Perspektive der Mitarbeiter liefern. Die Geschäftsführung wiederum kann Input zu Finanzmitteln geben und schnelle Entscheidungen treffen und die Produktentwicklung kennt alle Einzelheiten zum Produkt.

Schritt 2: Entwerfen der Customer Journey Map

Die wichtigste Regel für Customer Journey Mapping: Maps müssen aus der Sicht des Kunden erstellt werden! Andernfalls entsteht ein "von innen nach außen" gerichtetes Denken, das sich an der Perspektive des Unternehmens orientiert – das wäre alles andere als kundenorientiert! Deshalb werden zuerst Kunden-Personas erstellt – fiktive Personen, die auf Marktforschung, Recherche und echten Kundendaten basieren. Sie repräsentieren jeweils ein bestimmtes Kundensegment innerhalb der Zielgruppe, bilden deren Bedürfnisse, Wünsche, Ziele, Verhalten, Probleme und Einwände ab und liefern detaillierte Einblicke in dessen Entscheidungsfindung und Gefühlswelt.

Danach folgt das Entwerfen der eigentlichen Customer Journey: Ein grober Fahrplan genügt zunächst. Jedes Team-Mitglied sollte seine Gedanken aus der jeweiligen Unternehmensperspektive einfließen lassen. Sie können die Reise, die ein Kunde mit dem Produkt zurücklegt, beispielsweise im eigenen Online-Angebot durchspielen. Die Customer Journey findet aber nicht nur digital statt. Der Kunde setzt sich eventuell auch offline mit dem Produkt auseinander. Daher ist es wichtig, mögliche Touchpoints zu identifizieren, die ein Kunde vor, während und nach einer Interaktion mit einem Produkt durchläuft. Wie findet der Kunde zu dem Produkt? Wie interagiert er mit dem Produkt? Was macht er nach der Interaktion? Touchpoints sind meist zufällig und finden direkt – beispielsweise über einen Werbebanner auf YouTube – oder indirekt – beispielsweise durch die Empfehlung eines Freundes – statt. Die Teams erfahren so, welche Kanäle ihr Produkt bereits bedient und wo es noch positioniert werden sollte. Im Falle von Lukas waren die ersten Touchpoints eine Anzeige im Internet und seine Schwester. Um die Offline-Touchpoints mit in die Messungen zu integrieren, können Unternehmen Tracking-Studien zur Brand Awareness hinzuziehen. Das gibt zumindest grob Aufschluss, wie das Produkt allgemein wahrgenommen wird.

Schritt 3: Annahmen mit Fakten belegen

Eine Customer Journey Map darf niemals nur erfunden sein! Sie sollte auf echten Erfahrungen von echten Kunden beruhen. Sonst ist sie lediglich mit Annahmen gefüllt, die unvollständig oder im schlimmsten Fall falsch sind. Annahmebasierte Journey Maps sind jedoch ein guter Ausgangspunkt. Selbst wenn die fiktive Reise zunächst nur halb richtig ist, können die Mitarbeiter durch das Sammeln von Annahmen lernen, sich in den Kunden hineinzuversetzen.

Es folgt das Validieren der Annahmen. Dazu wird die Perspektive des Kunden direkt in die Map gebracht; immerhin geht es bei Customer Journey Mapping darum, sich in die Schuhe des Kunden zu stellen. Bei diesem Schritt gilt: Je mehr Touchpoints mit echten Daten verifiziert werden können, desto eher entspricht die Map auch der Wirklichkeit.

Zum Validierungs-Prozess werden echte Kunden entweder in Gruppen oder in 1:1 Interviews befragt. Im Gegensatz zu einer Gruppensituation, wo sich die Teilnehmer gegenseitig in ihren Antworten beeinflussen könnten, ergibt sich aus einem Einzel-Interview eine unvoreingenommene Perspektive. Wichtig ist nur, dass Repräsentanten aller erstellten Personas dabei sind, da jedes Kundensegment verschiedene Bedürfnisse, Ziele und Erfahrungen hat. Den Teilnehmern wird die annahmenbasierte Journey Map vorgelegt und sie spielen sie entweder selbstständig durch und identifizieren Lücken und Fehler, oder entwerfen eine komplett neue, die mit der annahmenbasierten verglichen wird. Dabei gehen sie durch jeden einzelnen Schritt: Von den Menschen, Werkzeugen und Prozessen, mit denen sie während der Interaktion mit dem Produkt zu tun hatten und beschreiben ihre Gedanken und Bedürfnisse, Gefühle und Emotionen an jedem einzelnen Touchpoint. Außerdem nennen sie den Aufwand, der sie jeder Schritt kostet, damit Pain Points und Highlights ermittelt werden können.

Schritt 4: Identifizieren und optimieren

Oft gibt es einen einzigen Knackpunkt innerhalb der gesamten Customer Journey, der mehr zählt als alle anderen – er verursacht die größten Probleme, betrifft die meisten Kunden oder hat die stärksten Auswirkungen. Wäre dieser Moment optimal, hätte er den größtmöglichen positiven Einfluss auf das gesamte Kundenerlebnis.

Lukas beispielsweise hatte beim Ausfüllen des Anmeldeformulars für seine Hypothek Probleme. Das Formular war kompliziert und für ihn war es nicht eindeutig, welche Informationen benötigt wurden. Das Unternehmen könnte zur Abhilfe beispielsweise Hilfsoptionen zu jedem Schritt anbieten oder einen Live-Chat zur Verfügung stellen. Nach der Interaktion mit einem Service-Mitarbeiter über die Chat-Option kann der Kunde per E-Mail aufgefordert werden, an einer standardisierten fünf bis zehn minütigen Online-Befragung teilzunehmen. Diese kann übersetzt und in alle Länder verschickt werden, in denen das Produkt angeboten wird – ein einfacher Weg, auch kulturelle Unterschiede herauszufinden. Das Feedback wird direkt an den Service-Mitarbeiter zurückgeleitet, so dass dieser unmittelbar erfährt, wie der Kunde den Kontakt und die Hilfestellung wahrgenommen hat. So kann er schnell auf eventuelle Unzufriedenheiten beim Kunden reagieren.

Fazit

Mit Customer Journey Mapping können Unternehmen ihre Kunden und potentiellen Kunden immer im Blick behalten und ihnen an jedem Touchpoint die passende, auf sie zugeschnittene Experience bieten. Bei der Erstellung einer Map haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und sich direkt in die Welt des Kunden einzufühlen. Es müssen lediglich ein paar Grundsätze beachtet werden: die Map immer aus der Sicht des Kunden erstellen und alle Annahmen mit echtem Feedback belegen. Nur so können Unternehmen feststellen, an welcher Stelle der Customer Journey Schwierigkeiten entstehen und welche Lösungen Abhilfe schaffen können. Denn, ist der Kunde zufrieden, läuft das Geschäft.

Zum Autor: Wolfgang Sölch, Head of Enterprise Sales Central Europe, ist ein erfahrener Vertriebs- und IT-Spezialist auf Enterprise-Ebene. Aktuell verantwortet er die strategische Ausrichtung sowie das Wachstum von Qualtrics in Zentraleuropa. Der studierte Diplom-Informatiker blickt auf mehr als 15 Jahre Erfahrung in der IT-Branche zurück: Vor seiner Tätigkeit bei Qualtrics war Sölch unter anderem als Vice President Sales EMEA für BrandMaker tätig; als Sales Manager Data Solutions für Microsoft sowie als Sales Director Strategic Accounts für VMware.

 

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