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Marktforschung 2020: Die Zukunft liegt im Internet
Köln - Nur 20 Jahre nach der Verbreitung des Internets sind ganze Branchen verschwunden, andere neu entstanden und wieder andere wurden ganz neu definiert. Die Frage, wie diese und viele andere technischen Neuerungen unser Leben verändern, beschäftigt auch die Marktforschungsbranche. marktforschung.de ist im Rahmen der Erhebung zum "Stimmungsbarometer in der Marktforschung" der Frage nachgegangen, wie aus Sicht der Institutsleiter die Zukunft der Marktforschungsbranche aussehen könnte. Die Befragung wurde in Kooperation mit der webfrager GmbH im Zeitraum vom 05. bis zum 15. Juni 2009 unter Vorständen und Geschäftsführern deutscher Marktforschungs- und Feldinstitute durchgeführt.
Methoden, Kundenerewartungen, Marktveränderungen: die Zukunftstrends
Nach den Zukunftstrends der Branche gefragt, denken die meisten Institutsverantwortlichen ans Internet (31 Nennungen). Dabei dient das Medium einerseits zur Durchführung von Marktforschungsprojekten, andererseites wird es als Datenquelle gesehen, welche durch Verfahren wie webmonitoring zu Marktforschungszwecken genutzt werden kann. Aussichtsreich erscheint darüber hinaus ein Methoden-Mix, um beispielsweise auch dem Problem der Befragungsmündigkeit zu begegnen. Einige sehen darüber hinaus besonderes Zukunftspotenzial in qualitativen Methoden (vgl. Chart 1).

Ebenso rechnen die Befragten damit, dass der Beratung künftig eine größere Bedeutung beigemessen wird. Darüber hinaus spielt das Thema Qualtitätssicherung eine Rolle, wobei kundenorientierte Qualitätssicherung auch so aussehen kann: "quick and dirty, wenn nicht mehr verlangt ist, anspruchsvolles Design bei entsprechend komplexer Aufgabenstellung". Ferner glauben die Leiter der Marktforschungsinstitute, dass die Kunden in Zukunft einerseits Spezialisierung und andererseits mehr Flexibilität und Schnelligkeit erwarten (vgl. Chart 2).

Neben Methodentrends sowie assoziierten Kundenerwartungen werden seitens der Befragten auch Veränderungen im Markt erwartet. Hierbei spielt insbesondere der zunehmende Kostendruck eine Rolle. Dieser geht den Einschätzungen zufolge einerseits einher mit Fusionsbestrebungen und Internationalisierungen, andererseits aber auch mit Standardisierungen und mehr Technik (vgl. Chart 3).

Onlinebefragungen werden am wichtigsten sein
Laut der letzten Veröffentlichung des ADM wurden 2008 bezogen auf die Mitglieder des Verbandes 42 % der Interviews telefonisch, 31 % online, 21 % persönlich sowie 6 % schriftlich geführt. Damit setzt sich der seit einigen Jahren andauernde Trend fort, dass Onlinebefragungen zulasten von face-to-face Interviews und schriftlichen Befragungen zunehmen, während die Bedeutung von Telefoninterviews seit einigen Jahren sehr stabil ist.
Die Antworten auf die Frage nach der voraussichtlichen Bedeutung einzelner Befragungsformen im Jahr 2020 ergeben folgendes Bild: erwartet wird eine weitere Verschiebung in Richtung online, die klassische Telefonbefragung fällt auf Platz 2 zurück. Auch die Befragung mittels mobiler Endgeräte wird aus der Sicht der Geschäftsführer und Vorstände zunehmen: immerhin 76 % der Befragten geben an, dass diese künftig zwischen 5 und 25 % ausmachen wird. Die Bedeutung der schriftlichen Interviews wird den Einschätzungen zufolge weiter abnehmen, wohingegen face-to-face Interviews ihre Berechtigung behalten werden (vgl. Chart 4).

Internet: Mehr Chance als Gefahr
Eine jüngst veröffentlichten Studie der Fachhochschule Köln unter 341 Blog- und Forenbetreiber ergab, dass 15 % interessierten Unternehmen die Inhalte ihrer Blogs zur Analyse zur Verfügung stellen würden. 61 % würden die Inhalte eventuell bereitstellen, nur ein Viertel der Betreiber lehnt dies ab.
Auch den deutschen Marktforschungsleitern ist bewusst, dass im Internet ein "Datenschatz" entsteht, der auf systematische Auswertung wartet. Mehr als die Hälfte der Befragten messen dem Webmonitoring (automatisierte Analyse von Foren, Bewertungsportalen) sowie der Analyse des Internetnutzungsverhaltens durch die Installation entsprechende Software beim Nutzer (clientbasierte Lösungen) eine große Bedeutung bei. Dabei werden diese Datenquellen mehrheitlich als Chance, weniger als Gefahr für die Marktforschung angesehen (vgl. Chart 5 und Chart 6).


Communities, Suchmaschinen und Bewertungsportale werden ebenfalls für wichtig gehalten. Auch hier werden die Chancen durch die Existenz dieser Quellen größer eingeschätzt als deren Gefahren. Allerdings sieht fast ein Drittel der Befragten speziell in Bewertungsportalen eine mögliche Gefahr für die Marktforschung (vgl. Chart 7 und Chart 8).


Nach konkreten Unternehmen gefragt, die der Marktforschung als branchenfremde Unternehmen gefährlich werden könnten, nennen immerhin 15 Insitutsleiter die Suchmaschine Google namentlich. Darüber hinaus finden Unternehmen wie Facebook und Xing Erwähnung. Insbesondere Firmen, die Zugang zu großen Nutzerpools und -Daten haben, werden also als mögliche Bedrohung für die Marktforschung gesehen.
Evolution statt Revolution
Der Trend zur Nutzung des Mediums Internet für Marktforschungszwecke ist wenig verwunderlich: einerseits sinkt die Bereitschaft zur Teilnehme an Telefoninterviews stetig, andererseits sind Menschen bereit, in TV-Shows oder Internetforen der Öffentlichkeit intimste Einblicke in ihre Meinungen, Erwartungen und Verhaltensweisen zu gewähren. Steht die Marktforschungsbranche damit vor einer Revolution? Wird sich alles ändern, wird zukünftig die Aufgabe der Marktforscher darin bestehen, user-generated-content auszuwerten, das web2.0 zu nutzen und Interviews allenfalls online durchzuführen? Oder bleibt die Branche ihren Grundprinzipien treu und entwickelt sich mittels der neuen Technologien ohne Bruch weiter? Folgende Szenarien sollen dies illustrieren:
Szenario: Revolution
Neue Technologien werden bisherige Methoden verdrängen. Daten werden nicht mehr primär erhoben, Meinung und Verhalten, die Personen von sich aus öffentlich machen, werden zur Datenquelle: z.B. durch die Analyse von user-generated-content (Blogs, Foren, Bewertungsportale etc.). Bestimmte Menschen werden bereit sein, ihren Computer mit Geräten zur Aufzeichnung des Internetnutzungsverhaltens auszustatten. Andere werden mittels mobiler Erfassungsgeräte automatisch dokumentieren, welche Wege sie gehen, welche Musik sie hören oder welche Produkte sie kaufen. Die klassische Vorstellung der Zufallsstichprobe wird für die Marktforschungspraxis bedeutungslos.
Szenario: Evolution
Neue Technologien begünstigen, dass Marktforschung in Zukunft schneller wird. Internetbasierte Erhebungsmethoden (z.B. Befragung im Online-Access-Panel) werden mit klassischen Methoden (z.B. einer Gruppendiskussion) kombiniert. Z.B. durch den geschickten Einsatz von Incentivierungssystemen wird die Antwortbereitschaft der Bevölkerung gestärkt. Schwer erreichbare Bevölkerungsschichten werden gezielt für die Marktforschung gewonnen. Qualitätsstandards wie Stichprobenqualität und Repräsentativität bleiben wichtige Kriterien zur Beurteilung von Marktforschung.
Revolutionäre Entwicklungen für die Marktforschung bis 2020 sehen immerhin 16 % der befragten Institutsleiter, 84 % gehen davon aus, dass sich die Branche durch technische Innovationen zwar entwickelt, dass die heutigen Standards aber erhalten bleiben (vgl. Chart 9).

Methodensteckbrief:
- Methode: Online-Befragung
- Durchführung: webfrager GmbH
- Befragungszeitraum: 05. bis 15. Juni 2009
- Stichprobe: 454 Geschäftsführer oder Vorstände deutscher Marktforschungs- und Feldforschungsinstitute
- Rücklaufquote: 22,9 % (104 Institute)
- Turnus: Quartalsweise