Wahlkampf in Zeiten des Sommerlochs
Wahlforschung 2017
Ehe für alle, Chancenkonto, Obergrenze, Bayernplan: Inhaltsleere kann man den Parteien aktuell wirklich nicht vorwerfen. Noch sind es rund acht Wochen bis zur Bundestagswahl am 24. September und die Parteien versuchen momentan alles, um sich voneinander abzusetzen und Wähler mit ihren Positionen und Politikentwürfen zu überzeugen.

Jedoch scheinen die Wahlkampfbemühen der Parteien auf das berühmte Sommerloch zu treffen - sie verlaufen weitestgehend im Sande: Bei der politischen Stimmung herrscht Stillstand. Selbst hochemotionale und auf politischer Ebene heiß diskutierte Themen wie die “Ehe für alle“ haben keine Dynamik bei der Wahlabsicht ausgelöst.
Der pollytix-Wahltrend gibt Orientierungshilfe im Wahlkampf
Einen Überblick über die politische Stimmung bietet der pollytix-Wahltrend. Dieser fasst die Ergebnisse der sogenannten “Sonntagsfrage“ von 10 Umfrageinstituten zusammen und berichtet rückwirkend bis zur Bundestagswahl 2009 täglich das gewichtete Mittel aller in den 20 Tagen davor erhobenen Wahlumfragen zur Bundestagswahl. Dabei werden die kumulierten Daten sowohl nach Aktualität und Fallzahl gewichtet: Je aktueller eine Umfrage und je größer die Anzahl der Befragten, desto stärker fließt eine einzelne Umfrage in die Berechnung des gewichteten Mittels ein. Liegt das Ende der Feldzeit einer Umfrage mehr als 20 Tage zurück, wird sie nicht mehr berücksichtigt.
CDU/CSU mit deutlichem Abstand stärkste Kraft
Die Daten des pollytix-Wahltrends zeigen deutlich, dass CDU und CSU auch im Juli weiterhin die meisten Wähler hinter sich vereinen können. CDU und CSU kämen derzeit auf einen Wahlanteil von 38,2% und sind damit stärkste Kraft in der deutschen Parteienlandschaft. Die SPD liegt derzeit bei 24,1% und ist somit zweitstärkste Partei, wenn aber auch mit einem Rückstand von 14,1 Prozentpunkten auf CDU/CSU. Von den kleinen Parteien schneiden aktuell die Linken mit 9,2% am stärksten ab; AfD und FDP liegen mit 8,6% und 8,4% eng beieinander. Schlusslicht im Rennen um die Bundestagsmandate sind die Grünen mit 7,4%.

(Grafik: pollytix strategic research)
Die Betrachtung der Stimmanteile im Zeitverlauf verdeutlicht die fehlende Bewegung in den letzten zwei Monaten: Die Stimmanteile der Parteien haben sich im Juni und Juli kaum geändert, trotz der Zunahme der Intensität des Wahlkampfes. Während sich CDU/CSU konstant bei rund 38% halten konnten, pendelt sich die SPD bei 24-25% ein.
Auch bei den kleinen Parteien zeigen sich nur leichte Veränderungen. Da Linke, FDP, AfD und Grüne alle sehr nah beieinander liegen, hat dies teilweise zu einer Verschiebung der Rangfolge geführt. So lagen AfD und Grüne abwechselnd auf dem letzten Rang. Jedoch konnte sich weder eine der vier kleinen Parteien in den letzten zwei Monaten deutlich von den anderen absetzten, noch drohte eine Partei unter die 5%-Hürde zu fallen. Demnach sieht momentan alles nach einem Bundestag mit sechs Parteien aus.
GroKo und Jamaika realisierbare Koalitionsoptionen
Klar ist, dass nach der nächsten Bundestagswahl keine Partei alleine regieren kann, sondern eine Koalition aus mindestens zwei Parteien die nächste Regierung stellen wird. Der auf den Daten des pollytix-Wahltrends aufbauende Koalitionsrechner gibt an, welche Koalitionen momentan eine parlamentarische Mehrheit (*) besitzen beziehungsweise im Zeitverlauf besaßen.

(Grafik: pollytix strategic research)
Nach wie vor verfügt die große Koalition aus CDU/CSU und SPD über eine breite und gesicherte Mehrheit. Jedoch kommen CDU/CSU, FDP und Grüne ebenfalls zusammen über die geforderte Mehrheit, sodass theoretisch auch im Bund die sogenannte Jamaika-Koalition realisierbar wäre. Die schwarz-gelbe Koalition aus Christdemokraten und Liberalen, die bereits von 2009 bis 2013 regiert hat, verpasst bislang sehr knapp die Mehrheit. Ebenso sind die Ampel (SPD, FDP, Grüne) sowie das Bündnis aus SPD, Linken und Grünen (R2G) derzeit nicht regierungsfähig.
Beim Blick auf die letzten zwei Monate und die scheinbar gefestigte politische Stimmung könnte man meinen, dass die Wahl bereits entschieden ist. Jedoch zeigen Studien, dass das Wahlverhalten der Deutschen höchst volatil ist und sich immer mehr Wähler erst kurz vor dem Urnengang fest für eine Partei entscheiden. Es bleibt also spannend, ob zugespitzter Wahlkampf, Plakatkampagnen und TV-Duell die Stimmung in den nächsten Wochen noch einmal in Bewegungen setzen können.
(*) Vereinfacht ausgedrückt ist die parlamentarische Mehrheit erreicht, wenn die Parteien einer bestimmten Koalition über die Mehrheit der Sitze verfügen. Da nicht alle Parteien über die 5%-Hürde kommen, liegt die Mehrheit nicht bei 50% der Wahlanteile, sondern darunter. Beispiel: Kommen sonstige Parteien insgesamt auf 4% der gültigen Stimmen, liegt die parlamentarische Mehrheit bei 48% [(100%-4%)/2].
Die Autoren:

Rainer Faus ist Gründer und Geschäftsführer der Forschungs- und Beratungsagentur pollytix strategic research. In den vergangenen zehn Jahren hat er in mehr als 20 Wahlkämpfen in Deutschland, Asien, Australien und Neuseeland mitgewirkt. Mit pollytix berät er unter anderem Unternehmen, Verbände sowie im derzeitigen Bundestagswahlkampf die SPD.
Felicitas Belok ist Beraterin bei pollytix strategic research und auf Wahlforschung spezialisiert. Die studierte Politikwissenschaftlerin hat zuletzt die US-amerikanischen Vorwahlen für die deutsche Botschaft in Washington analysiert.
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!